Und immer wieder die Zeit by Lightman Alan
Autor:Lightman Alan
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2011-07-07T08:50:11+00:00
ZWISCHENSPIEL
Einstein und Besso sitzen in einem Straßencafe in der Amthausgasse. Es ist Mittagszeit, und Besso hat seinen Freund überredet, das Amt zu verlassen und frische Luft zu schnappen.
»Du siehst nicht gut aus«, sagt Besso.
Einstein zuckt mit den Achseln, fast ein wenig verlegen. Minuten vergehen, vielleicht auch nur Sekunden.»Ich komme voran«, sagt Einstein.
»Das kann ich mir denken«, sagt Besso und betrachtet sorgenvoll die dunklen Ringe um die Augen des Freundes.
Es ist durchaus möglich, daß Einstein wieder aufgehört hat zu essen. Besso erinnert sich, daß er selbst einmal so ausgesehen hat wie Einstein jetzt, aber aus einem anderen Grund. Die Sache trug sich in Zürich zu. Völlig unerwartet starb Bessos Vater, mit Ende Vierzig. Besso, der nie recht mit seinem Vater ausgekommen war, empfand Kummer und Schuldgefühle. Er konnte sein Studium nicht mehr fortsetzen. Zu Bessos Überraschung nahm ihn Einstein damals in seinem möblierten Zimmer auf und kümmerte sich einen Monat lang um ihn.
Jetzt sieht Besso, wie es Einstein geht, und er wünscht, er könnte ihm helfen. Aber Einstein braucht natürlich keine Hilfe. Besso hat den Eindruck, daß Einstein nichts fehle. Er scheint seinen Körper und die Welt vergessen zu haben.»Ich komme voran«, sagt Einstein nochmals. »Ich denke, die Rätsel werden sich aufklären. Hast du den Aufsatz von Lorentz gelesen, den ich dir auf den Schreibtisch gelegt habe?«
»Verworren.«
»Ja, verworren und ad hoc. Das kann unmöglich stimmen. Was aus den elektromagnetischen Experimenten hervorgeht, ist etwas viel Fundamentaleres.«
Einstein streicht sich nachdenklich über den Schnurrbart und verzehrt dann gierig das Kleingebäck, das vor ihnen auf dem Tisch steht.
Eine Zeitlang wechseln die beiden Männer kein Wort. Besso tut sich vier Zuckerwürfel in den Kaffee, während Einstein zu den Berner Alpen hinüberstarrt, die weit in der Ferne liegen und durch den Dunst fast nicht zu erkennen sind. In Wirklichkeit schaut Einstein durch die Alpen hindurch, hinaus in den Weltraum. Manchmal verursacht ihm ein solcher Weitblick Migräne, dann muß er sich mit geschlossenen Augen auf sein grünes, mit einem Schonbezug versehenes Sofa legen.
»Anna möchte, daß du nächste Woche mit Mileva zum Abendessen kommst«, sagt Besso. »Notfalls könnt ihr das Baby mitbringen.«
Einstein nickt.
Besso bestellt sich noch einen Kaffee, erblickt an einem Nachbartisch eine junge Frau und schiebt sich das Hemd in den Hosenbund. Er sieht fast so ramponiert aus wie Einstein, dessen Blick inzwischen auf Galaxien ruht. Besso macht sich wirklich Sorgen um seinen Freund, obwohl er ihn auch früher schon so erlebt hat. Vielleicht wird ihn das gemeinsame Essen ja auf andere Gedanken bringen.
»Samstag abend«, sagt Besso.
»Ich bin Samstag abend besetzt«, sagt Einstein unvermittelt. »Aber Mileva und Hans Albert können kommen.«
Besso sagt lachend: »Samstag abend um acht.« Es ist ihm ein Rätsel, warum sein Freund überhaupt geheiratet hat. Einstein kann es selbst nicht erklären. Er hat Besso einmal gestanden, er habe gehofft, daß Mileva wenigstens den Haushalt machen würde, aber daraus ist nichts geworden. Das ungemachte Bett, die schmutzige Wäsche, die Stapel ungespülten Geschirrs sind geblieben. Und mit dem Baby sind noch unangenehme Aufgaben hinzugekommen.
»Was hältst du von der Rasmussen-Anmeldung?« fragt Besso.
»Die Flaschenzentrifuge?«
»Ja.«
»Das funktioniert nicht, weil die Welle zu stark vibriert«, sagt Einstein.
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