Un soupçon légitime by Zweig

Un soupçon légitime by Zweig

Autor:Zweig
Die sprache: fra
Format: epub
Herausgeber: Grasset


War er es ?

Persönlich bin ich soviel wie gewiß, daß er der Mörder gewesen ist, aber mir fehlt der letzte, der unumstößliche Beweis. » Betsy « , sagt mein Mann immer zu mir, » du bist eine kluge Frau, du beobachtest rasch und scharf, aber du läßt dich von deinem Temperament verleiten und urteilst oft zu voreilig. « Schließlich, mein Mann kennt mich seit zweiunddreißig Jahren und vielleicht, ja sogar wahrscheinlich, hat er recht mit seiner Mahnung. Ich muß mich also gewaltsam zwingen, da mir jener letzte Beweis fehlt, meinen Verdacht vor allen andern zu unterdrücken. Aber jedes Mal, wenn ich ihm begegne und er kommt bieder und freundlich auf mich zu, stockt mir das Herz. Und eine innere Stimme sagt mir : er und nur er war der Mörder.

Ich will also versuchen, vor mir selbst und für mich allein den ganzen Hergang noch einmal zu rekonstruieren. Vor etwa sechs Jahren hatte mein Mann seine Dienstzeit in den Kolonien als hoher Regierungsbeamter beendet, und wir beschlossen, uns an einen stillen Ort in der englischen Provinz zurückzuziehen, um dort gemächlich – unsere Kinder sind längst verheiratet – mit den kleinen stillen Dingen des Lebens wie Blumen und Büchern die restlichen, schon ein wenig abendkühlen Tage unseres Alters zu verbringen. Unsere Wahl fiel auf einen kleinen ländlichen Ort in der Nähe von Bath. Von dieser alten, ehrwürdigen Stadt zieht sich, nachdem er sich durch vielerlei Brücken hindurch-geschlängelt, ein schmaler, gemächlicher Wasserlauf gegen das immer grüne Tal von Limpley Stoke, der Kenneth-Avon-Kanal. Vor mehr als einem Jahrhundert war diese Wasserstraße sehr kunstvoll und kostspielig mit vielen hölzernen Schleusen und Wärterstationen angelegt worden, um die Kohle von Cardiff bis nach London zu befördern. Auf dem schmalen Seitenweg rechts und links von dem Kanal zogen Pferde in schwerem Trott die breiten, schwarzen Barken gemächlich den weiten Weg entlang. Es war eine großzügige Anlage und vielversprechend für ein Zeitalter, dem die Zeit noch wenig galt. Aber dann kam die Eisenbahn, die rascher, billiger und bequemer die schwarze Fracht nach der Hauptstadt beförderte. Der Verkehr stockte, die Schleusenwärter wurden entlassen, der Kanal verödete und versumpfte, aber eben diese völlige Verlassenheit und Nutzlosigkeit macht ihn heute so romantisch und zauberhaft. In dem stockenden schwarzen Wasser wachsen die Algen vom Grunde so dicht empor, daß die Fläche dunkelgrün schimmert wie Malachit, Wasserrosen schaukeln sich farbig auf der glatten Fläche, die in ihrer schlafenden Unbewegtheit die blumenbestandenen Hänge, die Brücken und Wolken mit photographischer Treue spiegelt ; ab und zu liegt halb eingesunken und schon mit buntem Gewächs überwuchert, ein alter zerbrochener Kahn aus jener geschäftigen Vorzeit am Ufer, und die eisernen Nägel an den Schleusen sind längst verrostet und von dichtem Moos überzogen. Niemand kümmert sich mehr um diesen alten Kanal, selbst die Badegäste von Bath kennen ihn kaum, und wenn wir beiden ältlichen Leute den ebenen Weg an seinem Rande, von dem früher die Pferde die Barken an den Seilen mühsam vorwärtsschleppten, entlanggingen, begegneten wir stundenlang niemandem andern als etwa einem heimlichen Liebespaar, das sein junges Glück, solange



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