Umgarnt by Margaret Millar

Umgarnt by Margaret Millar

Autor:Margaret Millar [Millar, Margaret]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783257607451
Herausgeber: Diogenes
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


{158}11

Am nächsten Tag fuhr der Arzt Charles besuchen. Er stellte nur wenige Fragen. Er ließ Charles fast zwei Stunden lang reden, über seine Kindheit, seine Mutter, Martha, jede Kleinigkeit, die ihm einfiel. Erst als Charles offenbar zu erschöpft war, um weiterzureden, erkundigte sich MacNeil nach seinen physischen Symptomen.

»Macht Ihnen die Migräne immer noch zu schaffen, Pearson?«

»Nein, die ist weg.«

»Gut. Sorgt Forbes zufriedenstellend für Sie?«

»Ja.«

»Er sagt, daß Sie mit gutem Appetit essen.«

»Stimmt.«

»Dann fühlen Sie sich ganz allgemein gut?«

»Mir geht’s prima«, sagte Charles ohne Überzeugung.

Er hatte keine Schmerzen, aber seine Glieder fühlten sich irgendwie taub an. Er lag stundenlang in einem Liegestuhl auf der Veranda, eingepackt in Pullover und Decken, und starrte auf den See hinaus. Die ständige Bewegtheit des Wassers schien ihn zu lähmen, er atmete kaum. In seinem Kokon aus Decken und mit den starren Augen wirkte er so sehr wie ein Toter, daß Forbes immer wieder herauskam, um sich zu vergewissern.

»Mr. Pearson, wollen Sie Ihre Mütze?«

{159}Eine gereizte Bewegung unter den Decken. »Was?«

»Ob Sie Ihre Mütze haben möchten.«

»Mütze? Nein. Gar nichts.«

Und etwas beschämt über seine Ängste ging Forbes dann in die Hütte zurück und nahm seine Lektüre eines Buches über Kochen mit Kräutern wieder auf. Kochbücher lesen entspannte ihn. Er war nicht mehr jung, und das ständige Zusammensein mit einem Kranken belastete ihn – es war keine physische Belastung, denn Charles war nicht sehr anspruchsvoll, sondern eher der psychische Druck, nie genau zu wissen, was man zu erwarten hatte. Er hatte Charles zwar gern, aber es war nicht die sentimentale Zuneigung, die Brown für ihn hegte, und er hatte eigentlich schon entschieden, nicht mitzugehen, wenn es soweit war, daß Charles wieder nach Hause ging. Er hatte es Charles noch nicht gesagt, aber Charles schien es zu ahnen, wie er vieles ahnte. Forbes wußte nicht, ob es Eingebung war oder ob Charles einfach aufmerksamer beobachtete als normale Leute.

Während Dr. MacNeil da war, blieb Forbes in der Hütte und bemühte sich, nicht mitzuhören. Aber sobald der Doktor gegangen war, trat Forbes wieder auf die Veranda. Charles saß mit einem ungeöffneten Brief auf dem Schoß da.

»Möchten Sie irgend etwas, Mr. Pearson?«

»Nein, danke. Lassen Sie mich einfach ein Weilchen allein.«

»Ja, gut.«

Charles betrachtete den Brief unwillig, denn er war in seine Privatsphäre eingedrungen. Sie war ihm sogar hierhin gefolgt – sie besaß keinen Anstand, keinen Sinn für …

»Lieber Charles.« Wie seltsam ungereimt ihre {160}Handschrift aussah, dachte er. Ängstliche, zaghafte kleine Buchstaben, die sich schutzsuchend zusammendrängten. Die großen Buchstaben waren kaum größer als die kleinen. Er überlegte, warum ihm das noch nie aufgefallen war und ob es irgend etwas bedeutete.

Als er den Brief zu Ende gelesen hatte, blickte er wieder über den See. »Ich habe Angst. Ich möchte, daß Du nach Hause kommst.« Die Ehrlichkeit der Worte war eindeutig. Sogar ihre Schrift hatte sich an dieser Stelle verändert; sie war größer und so unregelmäßig, daß es aussah, als wäre jeder Buchstabe von einem anderen Menschen geschrieben.

Angst? Natürlich hatte sie Angst. Sie hatte Angst vor dem Gerede der Nachbarn, Angst um ihren Ruf. Aber nicht die Angst war ungewöhnlich, sondern ihr Eingeständnis, und vor allem ihr Appell an ihn.



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