Ueber die Verhaeltnisse by Frischmuth Barbara

Ueber die Verhaeltnisse by Frischmuth Barbara

Autor:Frischmuth, Barbara [Frischmuth, Barbara]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-10-06T16:00:00+00:00


»Und wenn man glaubt, ein Ende sei abzusehen, ist es besonders dick.« Der junge Mann sitzt auf Melas Wohnzimmersofa und übt sich in Morosität. »Die geben mir die verschusterten Milliarden löffelweise ein, und wie ich sie ausspuck, sind es noch einmal so viel. Dabei soll ich jetzt auch noch schuld sein, weil ich zu früh versucht habe, die sumpfigen Wiesen trockenzulegen. Hätte ich sie noch ein bißchen weitermauscheln lassen, heißt es, hätten sie noch groß kassiert, nämlich für die Firma. Daß ich nicht lache. Und was heißt sumpfige Wiesen? Die ganze Abwassergenossenschaft ist am Werk, und wo du hinstichst, rinnt die Kloake.«

Nichts von einer werdenden Raubeule spiegelt sich in seinen Zügen, eher ein schlappgeschrumpfter Hush Puppy, der sich die Ohren unterm Kinn zusammenbinden kann.

»Jeder hat so viel eigenen Fraß im Maul, daß er nicht reden kann. Und während sie die größten Brocken hinunterwürgen, versuchen sie die eigene Spur zu verscharren. Wobei logischerweise auch noch der zuunterst liegende Dreck nach oben geschleudert wird.«

Mela hat ihm ein paar Brote aus dem Eigenbedarf in ihrer kleinen Küche zurechtgemacht, denn nicht einmal zum Essen ist der Gestreßte gekommen. Ein Zufall überhaupt, daß er zu dieser nachtschlafenden Zeit wieder einmal zu ihr gefunden hat. Die eigene Familie, hat er neulich in einem Interview gesagt, wäre schon froh, wenn er sich was anderes suchen würde, was Ruhigeres. »Wie komm ich denn dazu?« fragt er selbsterbarmungsvoll, wie ein Kind, das geweint hat und noch trocken nachschluchzt.

Die Lösung wäre ganz einfach, aber dazu steckt er schon zu tief drin. Auch er hat bereits den Zahn an dem Knochen, den sie alle benagen, auch wenn er ihn gewiß nicht für den Hausgebrauch vergraben will. Und von der finsteren Waffengeschichte, die weiter als Irrlicht lodert und selbst von der Presse nur mit Asbesthandschuhen angefaßt wird, sagt er kein Wort, auch nicht zu ihr. Er wird wohl nicht von Anfang an davon gewußt haben, und jetzt ist er taub auf diesem Ohr. Einzig eine Frage der Gesetzeslage. Und es gibt eine Reihe von Pragmatikern im Team, die bereit sind, das Gesetz umzuschneidern. Das Zeug ist solide gebaut und steht für hohe Kosten auf Halde. Dabei ist es das einzige mit Nachfrage, immerhin. Moral und Geschäft, wer kann sich das leisten? Dieses Land tut höchstens so. Zum Glück ist der Kronzeuge rechtzeitig verblichen, der das Gesetz so eng gedeutet hat, wie es ursprünglich gemeint war. Daß jemand nachgeholfen hätte, läßt sich nur aus den Fingern zuzeln; wenigstens einmal hat jemanden im richtigen Augenblick der Schlag getroffen. So kann man ihm ein feierliches Andenken bewahren, schließlich war er einer der Ihren, und die paar Indizien, die er sozusagen aus dem Jenseits nachgereicht hat, werden durch beharrliches Ignorieren irgendwann inexistent.

»Komm«, sagt der junge Mann und wischt sich den Mund an seinem Taschentuch, »ich hab Sehnsucht nach den alten Zeiten.« Und sofort macht er sich auf den Weg, den er noch immer nicht vergessen hat, auch wenn er ihn nur noch selten begeht.

Mela hat Lust, seinen Arm abzuschütteln, aber dann läßt sie ihn, wo er



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