Tutanchamun und die Tochter des Mondes by Monika Mangal
Autor:Monika Mangal
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
Herausgeber: CreateSpace Independent Publishing Platform
veröffentlicht: 2014-09-27T22:00:00+00:00
Diese Beschreibung der Natur des Gottes hatte ihn zutiefst beeindruckt, entsprach sie doch dem, was er von einem wahrlich göttlichen Wesen erwartete.
Die Behauptung „Keiner kennt sein wahres Aussehen, kein Bild von ihm wurde in den Schriften überliefert“ hatte ihn jedoch dazu veranlasst, den Rat des Hohepriesters Parenefer einzuholen.
„Wenn Amun so geheim ist und niemand sein wahres Aussehen kennt“, hatte er den Priester gefragt, „warum wird er dann in unzähligen Statuen dargestellt, die meist die Gesichtszüge des jeweils regierenden Herrschers aufweisen? Und warum wird er in Waset als Teil der Triade verehrt, in der er wie ein Mensch eine Frau und ein Kind hat? Wie passt das alles zusammen?“
Parenefer hatte nicht lange nachgedacht, sondern nur resigniert mit den Schultern gezuckt.
„Der Einwand Deiner Majestät ist völlig berechtigt“, hatte der Priester geantwortet. „Das eine verträgt sich eigentlich nicht mit dem anderen. Auch ich habe während meiner Studienzeit über dieses Problem nachgedacht, denn entgegen allgemeiner Auffassung bin ich nicht vorrangig an Macht und Einfluss, sondern an religiösen Inhalten interessiert.“
„Und was haben deine Überlegungen ergeben?“, hatte Tutanchamun nachgehakt.
„Ich bin zu dem Ergebnis gekommen“, erläuterte Parennefer, „dass das Wesen Amuns tatsächlich allen und allem verborgen ist, dass er von transzendenter Natur, das heißt von der Natur unabhängig ist, während alle anderen Gottheiten Teil des von Amun geschaffenen Universums sind und je einen oder mehrere Aspekte der Natur verkörpern.
Das Problem ist, dass wir Menschen nicht mit der Transzendenz unseres Schöpfers umgehen können. Wir haben das Bedürfnis, uns mit ihm zu identifizieren, und das können wir nur, wenn wir ihm menschliche Eigenschaften zuschreiben und ihm ein menschliches Antlitz geben. Besonders wenn wir beten, wenn wir unseren Gott loben oder ihn um etwas bitten wollen, möchten wir ihn in sichtbarer Form vor uns haben. Daher die Vielzahl von Statuen der Götter, die niemand in ihrer wahren Form gesehen hat.
Das Bedürfnis nach Identifikation mit dem Verborgenen kulminiert in der Anbetung der Triade von Waset, die als das Sinnbild der idealen Familie angesehen wird.“
Je mehr Tutanchamun über diese Erläuterung des Hohepriesters nachgedacht hatte, desto einleuchtender war sie ihm erschienen. Ja, das Anfertigen von Statuen und Amuletten war das Machwerk von Menschen, mit dem er sich wohl oder übel abfinden musste, das aber nichts an der transzendenten Natur des wahren Schöpfergottes Amun änderte.
Amuns Rolle als einziger Urheber der Schöpfung der sichtbaren Welt war in einem anderen Text ausführlich beschrieben worden. Er begann mit dem Moment, der der Schöpfung unmittelbar voranging:
Er (Amun) begann zu sprechen inmitten völliger Stille,
um zu erschaffen, was da ist und es zum Leben zu erwecken.
Du hast die Evolution aus nichts eingeleitet,
die Enneade ist in deinem Körper enthalten.
Jeder Gott ist in deinem Bild
vereint in Deiner Person.
Du bist zuerst entstanden, Du hast Deine Existenz ganz am Anfang begonnen.
Amun, dessen Existenz selbst den Göttern verborgen bleibt,
der allerälteste, edler als sie sind,
er ist der Große von Iunu.
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