Trisomie so ich dir by Dirk Bernemann

Trisomie so ich dir by Dirk Bernemann

Autor:Dirk Bernemann [Bernemann, Dirk]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783942920056
Herausgeber: Readbox
veröffentlicht: 2011-10-07T00:00:00+00:00


Wenn ich was drehe, dann durch

Solveig steht im Stau. Um sie herum hupen die Gefühle der Einsamkeit, eine Art Flügelgelähmtheit und allgemeine Beschwernisse durch ihren Job. Es ist heiß, sie hat Durst, die Klimaanlage im Kopf ist kaputt und sie verpasst die Dinge, die sich außerhalb des Gefühlsstaus aufhalten. Das Innere ihres Herzens und auch das Innere ihres Kopfes sind irgendwie kaputt gegangen.

Sie hat gebuddelt, hier, nach Erfahrungsschätzen hat sie gegraben, und alles, was sie ausgrub, war ein kleines Leben, das sich wie ein zugeparktes Auto anfühlt. Da dachte man noch, yeah, das hier ist ja mal die passendste aller Parklücken, und dann parkt man ein und geht kurz weg, und irgendwann kommt man dann zurück und die Karre ist zugeparkt, jemand hat sie unausparkbar gemacht. Man kann zwar einsteigen und sich über den gut eingerichteten Innenraum seines Fahrzeugs freuen, aber was bringt die schönste Fahrgastzelle, wenn man nicht weg kann von da, wo man ist. Solveig kann nicht weg von da, wer sie ist, ein unentschiedenes Ding, vom Leben in jungen Jahren derart genervt, dass sie es kaum aushält.

Sie fühlt sich vom Leben belästigt, und das Leben verhält sich wie ein hinterhältiger Triebtäter, der sie mit irrwitzig glänzender Schokolade in die schmutzigsten aller Hinterhalte zu locken gedenkt. Erst sieht das alles immer so aus, als würde das schön werden, was Solveig anfängt, aber dann tun sich nach und nach Risse im Leben auf. Das nennt man dann wohl Erfahrungen sammeln. Solveig hat dafür einen Begriff entwickelt, für dieses subtile Phänomen der glänzenden Scheiße: Welteinsammeln. Ich gehe welteinsammeln, denkt sich Solveig und am Ende muss doch irgendwas aus Kuchen werden. Die eingesammelten Teile der Welt verhalten sich aber zumeist so, dass Solveig darüber nur ärgerlich werden kann.

Der Arbeitstag ist zu Ende, und alle strömen wieder Richtung Ausgang. Obwohl strömen nicht das korrekte Wort ist, denn unter strömen stellt man sich doch eine Bewegungsgeschwindigkeit vor, die deutlich über Schrittgeschwindigkeit liegt. Die Menschen, die hier vermeintlich gen Ausgang strömen, haben alle Zeit der Welt oder sind einfach körperlich nicht imstande, eine Art Schrittgeschwindigkeit einzuhalten. Die Langsamkeit, in der hier Informationen von diversen Rezeptoren weitergeleitet werden, die regt Solveig unglaublich auf, und sie merkt, dass diese Langsamkeit sie heute aufgeregter macht als sonst. Aber sie muss sich anpassen. An dieses Tempo. Schritt für Schritt ist auch sie jeden Abend Teil dieser Herde geworden. Eigentlich wollte sie doch nur einen Job machen, aber jeder sauber zu machende Kothintern, jedes eingespeichelte Kleidungsstück und jede zusammenhanglose Lautäußerung macht sie nervös. Sie spürt insgeheim einen Hass auf diesen Haufen genfehlgebildeten Menschenauflauf und weiß, dass die Arbeit hier nicht ihre zukünftige Arbeit sein wird. Aber irgendwie muss sie sich jetzt durch das Praktikum boxen, denkt sie in ihrem mädchenhaften Pflichtbewusstsein. Einen Job zu haben, der einen täglich mehr ankotzt, das kann einen langsam töten. Oder erst mal verrückt machen. Und dann töten und zwar langsam. Aber wie viele Menschen leben so, dass sie entweder auf den Wahnsinn oder auf den Tod warten? Solveig schweigt und versucht, ein bisschen



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