Triestiner Morgen by Kneifl Edith

Triestiner Morgen by Kneifl Edith

Autor:Kneifl, Edith [Kneifl, Edith]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi/Thriller
Herausgeber: Haymon Verlag
veröffentlicht: 2013-03-20T23:00:00+00:00


Ich setze mich auf den Rand des Bettes und schau mich in dem schäbigen Zimmer um.

Die rosa Blümchentapete schält sich von den Wänden, und der rote Teppichboden ist mit dunklen Flecken übersät. Das verblichene Muster übt eine eigenartige Faszination auf mich aus. Die blaßrosa Ornamente dürften ursprünglich wohl einmal rot oder rotbraun gewesen sein. Ich zähle die Reihen, verzähle mich und beginne von neuem.

Die Hitze treibt mir schon im Sitzen den Schweiß auf die Stirn. Das dünne Strickkleid klebt an meinem Körper, und unter meinen Achseln machen sich häßliche, dunkle Flecken breit. Auch meine Hände sind feucht, und meine Fingernägel haben dunkle Ränder, obwohl ich sie heute morgen gereinigt habe.

Durch die nur halbgeschlossenen Jalousien dringen vereinzelt Sonnenstrahlen in das dunkle Zimmer. Die Luft ist abgestanden. Ich stehe auf, öffne das Fenster, schließe aber die Jalousien, die dringend einen neuen Anstrich benötigen.

Im Zimmer wird es nicht kühler. Der niedrige, schlauchartige Raum hat keine Chance abzukühlen. Seit Monaten ist kein Regen mehr gefallen.

Meine Augen gewöhnen sich rasch an die Dunkelheit. Ich schäle mich aus meinem roten Kleid und hänge es in den leeren Schrank. Meine Unterwäsche behalte ich an. Ich will Giorgio nicht des Vergnügens berauben ...

Wo bleibt er bloß? In letzter Zeit verspätet er sich oft.

Die Stille wirkt bedrückend auf mich. Auch von draußen dringen kaum Geräusche an mein Ohr.

Siesta. Die ganze Gegend ist wie leergefegt. Jeder normale Mensch sucht hinter dicken, weißen Mauern Schutz vor der Mittagshitze. Was soll man sonst schon bei fünfunddreißig Grad im Schatten anfangen?

Ich betrachte mein Gesicht im Spiegel gegenüber dem Bett. Auch so ein spezieller Service des Hauses, an allen Wänden und sogar an der Decke sind Spiegel angebracht. Angeblich soll es den Genuß erhöhen, wenn man sich selbst dabei zuschauen kann. Na ja, vielleicht muß ich Bruno in diesem Punkt ausnahmsweise recht geben.

Das Tropfen des Wasserhahns macht mich noch verrückt. Ich hasse tropfende Hähne! Auf einem handgeschriebenen Zettel – Brunos Handschrift? – steht, daß man das Leitungswasser nicht trinken soll. Aber ich habe Durst, und Giorgio wird sich sicher wieder weigern, eine Flasche Spumante zu bestellen. Ich fülle also den Zahnputzbecher und genehmige mir einen Schluck. Das lauwarme Wasser schmeckt tatsächlich scheußlich und sieht mehr als verdächtig aus. Weiße Flusen schwimmen in der milchig trüben Flüssigkeit. Sie erinnern mich an etwas anderes, viel besser Schmeckendes. Lachend leere ich mir den Rest des Wassers übers Gesicht. Für einen Augenblick fühle ich mich erfrischt. Doch dieses angenehme Gefühl hält leider nicht lange an.

Wenn dieser Oberspießer von Giorgio nicht bald auftaucht, hau ich wieder ab. Ich habe die Nase voll von ihm, und das werde ich ihm heute auch deutlich zu verstehen geben. Ich habe es wirklich nicht nötig, auf einen Mann zu warten. Männer stehen Schlange bei mir und nicht umgekehrt!

Ich versuche, mich auf das Tropfen des Wasserhahns zu konzentrieren, aber es will mir nicht so recht gelingen. Mein Blick schweift hinüber zu dem großen Ölbild über dem Kopf des Messingbettes. Die Madonna mit dem Kind im Arm. Diesem Bruno ist doch wirklich nichts heilig! Gegenüber, neben dem Spiegel, hängt das Kind noch einmal, dieses Mal am Kreuz.



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