Treue Genossen by Martin Cruz Smith

Treue Genossen by Martin Cruz Smith

Autor:Martin Cruz Smith [Smith, Martin Cruz]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-11-21T00:00:00+00:00


Roman machte Arkadi mit einem Schwein bekannt, das sich genüsslich an den Latten seines Stalls scheuerte, als er Essenreste hineinschüttete.

»Oink, oink«, grunzte Roman, die Wangen apfelrot von den Strahlen der untergehenden Sonne und vor Besitzerstolz. Denkbar war aber auch, dass er sich vor dem Eintreffen der Gäste ein Gläschen genehmigt hatte. Alex und Vanko trotteten hinter ihnen her. Der Regen hatte aufgehört, aber der Schlamm im Hof war knöcheltief. Arkadi fühlte sich an die offiziellen Inspektionen erinnert, die einst zum sowjetischen Alltag gehörten: »Parteisekretär besucht Kolchose und verspricht mehr Dünger.« Wieder grunzte Roman, ein wahrer Ausbund an Witz. Er genoss es sichtlich, dass er die Führung ohne seine bessere Hälfte machen durfte. »Russen züchten Schweine des Fleisches wegen, wir züchten sie wegen des Specks. Aber Sumo sparen wir uns auf, nicht wahr, Sumo?«

»Wofür?«, fragte Arkadi.

Roman legte sich einen Finger auf die Lippen und zwinkerte. Ein Geheimnis. Das passte zu einem illegalen Bewohner der Zone, wie Arkadi fand. Roman führte sie zum Hühnerstall. In der Kühle nach dem Regen spürte Arkadi die Wärme der brütenden Hennen. Der alte Mann zeigte ihm, wie er den Türriegel mit einer Drahtschlinge sicherte. »Füchse sind sehr schlau.«

»Vielleicht sollten Sie sich einen Hund zulegen«, schlug Arkadi vor.

»Wölfe fressen Hunde.« Darüber war man sich im Dorf offenbar einig, dachte Arkadi. Roman schüttelte den Kopf, als hätte er viel über diesen Punkt nachgedacht. »Wölfe hassen Hunde. Wölfe reißen Hunde, denn in ihren Augen sind sie Verräter. Genau genommen sind Hunde doch nur Hunde, weil es uns Menschen gibt, sonst wären sie alle Wölfe, habe ich Recht? Und was wird aus uns, wenn es mal keine Hunde mehr gibt? Das ist das Ende der Zivilisation.« Er öffnete einen Schuppen mit Schaufeln und Hacken, Rechen und Sensen, einem Schleifstein, einem Flaschenzug, der an einem Querbalken hing, und Verschlägen für Kartoffeln und Rüben. »Kennen Sie Lydia schon?«

»Die Kuh? Ja, danke.«

Ein großes Augenpaar bat die Besucher aus der Tiefe des Stalls mit flehentlichen Blicken, nicht weiter beim Heumampfen zu stören. Was Arkadi daran erinnerte, wie Hauptmann Martschenko auf seine Mitteilung reagiert hatte, dass möglicherweise eine Leiche im Kühlsee liege. Ein auf dem Wasser treibendes Boot, so hatte der Hauptmann erklärt, sei noch lange kein Grund, das trockene Büro zu verlassen, und der See viel zu groß, um dort durch Nacht und Regen zu latschen. Schön, eine leere Wodkaflasche habe im Boot gelegen, aber habe er auch Blut entdeckt? Spuren eines Kampfes? Unter Kollegen: Wäre das nicht ein fruchtloses Unterfangen?

Roman führte seine Gäste zu einem offenen Schuppen, der so mit Brennholz voll gestopft war, dass kein Scheit mehr darin Platz gefunden hätte. Arkadi vermutete, dass Roman selbst in volltrunkenem Zustand noch in der Lage war, mit peinlicher Sorgfalt Holz zu stapeln. Roman zeigte ihnen einen Obstgarten mit Kirsch-, Birn-, Pflaumen- und Apfelbäumen.

Arkadi wandte sich an Alex. »Sind Sie schon mal mit einem Dosimeter über den Hof gegangen?«

»Wozu? Die beiden sind über achtzig und genießen hier lieber die Früchte ihrer Arbeit, als in der Stadt am Hungertuch zu nagen. Das hier ist ein Paradies, ein verseuchtes Paradies, aber trotzdem ein Paradies.



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