Travel for Love by Josua Wirth

Travel for Love by Josua Wirth

Autor:Josua Wirth [Josua Wirth]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783745325423
Herausgeber: Riva Verlag
veröffentlicht: 2024-09-15T00:00:00+00:00


Kapitel 6

Nepal

Raxaul war ein kleines Dorf, das wirkte, als sei die Zeit dort stehen geblieben. Es bestand vor allem aus einer asphaltierten Hauptstraße, die direkt in das angrenzende Dorf Birganj in Nepal führte. Darauf fuhren nicht nur Motorroller, Rikschas und Pick-ups, sondern auch viele Pferdekarren. Die Händler hatten Tomaten, Kohl oder Fleisch geladen und standen barfuß auf ihrer Ware, während ein Pferd den Karren mit aller Kraft zog. Man sah den armen Tieren an, dass es ihnen schlecht ging. An den Stellen, an denen der Karren befestigt war, hatten sie offene Wunden. Sie warfen ihre Köpfe herum, um die Fliegen zu verjagen, die dort hineinkrabbelten. Am Straßenrand waren Pferde inmitten von Plastikmüll und Essensresten angebunden. Ihnen allen gemein war ein stoisch leerer Blick, der irgendwo in der Ferne zu verharren schien. Ich hatte Mitleid mit den Tieren. Wie konnte man nur so mit diesen unschuldigen Geschöpfen umgehen? Gleich neben den Tieren kam ein Mann aus einer kümmerlichen Hütte heraus, die kaum Schutz vor den Elementen bot. Diese einfache Behausung erinnerte mich an die Hütten, die ich als Kind im Wald gebaut hatte, während mein Vater seinen Geschäften nachging. Damals hatte ich Holz auf Holz gestapelt und mit Zweigen abgedeckt. Manchmal legte ich eine Plane darüber. Hier war löchriges Wellblech über das Hüttengerippe genagelt, das kaum Schutz bot. Meine Waldbauten waren undicht gewesen und schon der kleinste Windstoß blies ungehindert durch und ließ alles erzittern. Hier war es dasselbe – jeder Windstoß drang ungehindert durch die Blechhaut und verwandelte die Hütte in einen zugigen Albtraum. Vermutlich hatten die Menschen hier andere Dinge, um die sie sich sorgten, als um ihre Tiere. Mir wurde klar, dass Tierwohl vermutlich ein Privileg ist, ein Luxusthema, das wir in Europa haben, weil wir es uns leisten können. Weil wir nicht jeden Tag darüber nachdenken, wie wir selbst überleben. Aber nicht der ganzen Welt ist das vergönnt. Mir wurde bewusst, dass ich darauf achten musste, meine westliche Sichtweise nicht auf den Lebensstil der Menschen hier zu projizieren.

Überall auf den Straßen, in den Rinnsteinen und am Bürgersteig lag Müll, den Hunde, Ziegen und Kühe nach etwas Fressbarem absuchten. Kinder mit Dreck im Gesicht saßen barfüßig auf dem Bürgersteig und teilten sich eine Tüte Kekse.

Am Ende der Hauptstraße entdeckte ich ein goldenes Tor. Es war bestimmt 30 Meter hoch und bestand aus zwei Türmen, die durch einen überdachten Bogen miteinander verbunden waren. Vor dem Tor befand sich eine kleine Holzhütte. Erst bei genauerem Hinsehen bemerkte ich das kleine Schild, das verkündete, dass dieser Verschlag das indische Ausreisebüro war. In der kargen Hütte saßen zwei junge Männer in T-Shirts hinter einem kleinen Tisch. Ohne weiteres Nachfragen drückten sie mir den Ausreisestempel in den Pass. Nach einem kurzen Fußmarsch um den Kreisverkehr, der das goldene Tor umgab, stand ich vor dem nepalesischen Einreisebüro. Bevor ich eintrat, zog ich die Mappe aus meinem Rucksack, in die ich die 50-Dollar-Note gelegt hatte. Vorsichtig nahm ich den Schein heraus und prüfte ihn sorgfältig. Alles glatt, bis auf einen winzigen Knick in der linken oberen Ecke.



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