Trauma, Angst und Liebe by Ruppert Franz

Autor:Ruppert, Franz [Ruppert, Franz]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Kösel-Verlag
veröffentlicht: 2015-05-19T16:00:00+00:00

Von der Familienaufstellung zur Traumaaufstellung

Ich gebe im Folgenden einen kurzen historischen Abriss über meine Arbeit mit der Aufstellungsmethode. Von 1994 bis etwa 2002 konnte ich mich mit der Methode des Familienstellens im Wesentlichen identifizieren, weil sie mir, wie vermutlich vielen anderen, den Blick für die Bedeutung der familiären Beziehungen und auf die »blinde« kindliche Bindungsliebe zu seinen Eltern öffnete. Entscheidungskonflikte, Verhaltensweisen, unter denen man leidet, psychische Auffälligkeiten und sogar körperliche Krankheitssymptome konnten mit Hilfe der Aufstellungsmethode auf die verstrickte Beziehung mit den eigenen Eltern zurückverfolgt werden. Mit dem Wissen um die Loyalitätsbindung eines Kindes an seine Eltern wurde mir vieles wesentlich verständlicher als zuvor. Das »Unbewusste«, von dem die Psychoanalyse spricht, wurde in den Aufstellungen mit Händen greifbar. Man konnte sehen,

◆ wie Kinder in das Schicksal ihrer Eltern und Großeltern blind hineingezogen werden,

◆ wie ungeheuer groß der Sog ist, sich als Kind seelisch mit etwas zu verbinden, was in der Vergangenheit einer Familie geschah, selbst wenn es bereits 80 oder gar 100 Jahre zurückliegt,

◆ wie solche psychischen Verstrickungen den eigenen Willen untergraben und die eigenen Lebensentscheidungen unbewusst beeinflussen,

◆ wie sie die eigenen Gefühle und Gedanken in ihrem Bann gefangen halten.

Das grundsätzliche Vorgehen beim »Familienstellen« besteht darin, den Klienten zu veranlassen, seine Ursprungs- oder Gegenwartsfamilie aufzustellen, d.h. durch Stellvertreter inklusive seiner selbst repräsentieren zu lassen. Danach arbeitet man als Aufstellungsleiter mit den Stellvertretern weiter, sucht nach den unterschwelligen Problemen in dieser Familie, findet möglicherweise Personen, die noch fehlen (z. B. früh verstorbene oder abgetriebene Kinder, frühere Partner der Eltern, verstorbene Eltern und Geschwister der Eltern oder Opfer von Angehörigen der Familie), und versucht, durch das Aufdecken von verschwiegenen Tatsachen oder Familiengeheimnissen das Familiensystem wieder zu vervollständigen und dadurch eine neue »Ordnung der Liebe« zu etablieren. Vergessene Familienmitglieder werden in ihrer Bedeutung gewürdigt oder es wird innerhalb des Systems ein Ausgleich für erlittenes Unrecht initiiert.

Als Aufstellungsleiter versucht man diese Ziele bei den Stellvertretern zu erreichen, indem man z. B. Umgruppierungen vornimmt, zwischen einzelnen Stellvertretern der Familienangehörigen Dialoge in Gang bringt und »lösende Sätze« sagen lässt, um den Konflikten und Verstrickungen den Nährboden zu entziehen. Dann bittet man den Stellvertreter des Klienten, sich wieder in den Außenkreis zu setzen und nimmt den Klienten selbst in die Aufstellung hinein. Mit ihm vollzieht man dann bestimmte Rituale und lässt ihn ebenfalls »lösende Sätze« zu den Stellvertretern von Familienangehörigen sagen, mit denen er sich seelisch identifiziert hat. Das Ziel ist es dabei, für ihn seinen »guten Platz« im Gesamtgefüge dieser Familie zu finden, der ihm aufgrund seiner Position in der Generationenabfolge gebührt.

Zu den am häufigsten verwendeten Interventionen eines Familienaufstellers gehört

◆ das Verneigen vor dem Schicksal der Eltern oder Großeltern,

◆ die Anerkennung der Bedeutung früh Verstorbener für die gesamte Familie,

◆ die Würdigung der Verdienste früherer Partner der Eltern oder

◆ die Verneigung vor dem Schicksal derjenigen, denen durch Familienangehörige Unrecht angetan wurde.

Das Hauptziel ist ein heiles Bild der Familie. Dem dient die Versöhnung mit den eigenen Eltern, die sich darin ausdrückt, dass der Klient zu den Stellvertretern seiner Eltern hingehen und sie nach der Überwindung innerer Widerstände in den Arm nehmen kann.

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