Transsibirien Express by Heinz G. Konsalik

Transsibirien Express by Heinz G. Konsalik

Autor:Heinz G. Konsalik [Konsalik, Heinz G.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2010-09-30T04:00:00+00:00


Eine Stunde später kam Milda ins Abteil. Die Nacht war vollkommen, das Geheul des Sturmes klang unheimlich durch die Fenster.

Karsanow, der bereits im Bett lag und las, richtete sich auf.

»Das ist die Höhe!« bellte er. »Kommt hier völlig selbstverständlich herein! Werner Antonowitsch, wollen Sie etwa vor meinen Augen und Ohren mit ihr schlafen?«

»Sie sind ein Schwein, Karsanow!« entgegnete Forster ruhig. »Legen Sie sich wieder hin. Wenn Sie sich etwas erhoffen – Sie werden enttäuscht sein! Milda bleibt hier ja … aber als Gast!«

»Unter Ihrer Decke.«

»Auf meiner Decke.«

»Wir wollen sehen.«

»Sie werden gar nichts sehen. Leider …«

Milda setzte sich zaghaft und blickte den wütenden Karsanow an, der sich wieder auf den Rücken warf und in seinem Buch weiterlas.

»Wo soll ich hin?« fragte sie leise. »Bei Klaschka kann ich nicht bleiben. Sie hat ihre Arbeit aufgenommen. Ich kann doch nicht daneben sitzen …«

»Du gehörst hierher, und wenn es hundert Karsanows gäbe!« sagte Forster provozierend laut. »Leg dich hin, Milda, und schlafe …«

»Und du, Werja?«

»Ich finde immer einen Platz.«

»Oben drauf!« fauchte Karsanow.

»Ich bin nicht müde –«, sagte Milda kläglich. Dabei zitterte sie nach diesem schweren Tag vor Erschöpfung. »Ich kann gut sitzen..«

»Du legst dich hin!«

Forster drückte sie an den Schultern auf das Bett, deckte sie zu und küßte sie auf die geschlossenen Augen.

Sie hob ihre kleine Hand, strich leicht über seinen Nacken und lächelte schwach. Dann streckte sie sich und schlief fast übergangslos ein.

Werner Forster richtete sich auf und rückte ans Fenster. Neben Mildas Beinen war Platz genug, um im Sitzen zu schlafen.

Karsanow blickte aus den Augenwinkeln zu ihm hin.

»Tatsächlich! Die Liebe ist doch eine Himmelsmacht!« sagte er halblaut. »Werner Antonowitsch, Sie haben die Seele eines Russen, aber die Dummheit aller Deutschen. Machen wir das Licht aus. Das Buch ist langweilig, und – Sie immer anzusehen, macht ebenfalls müde!«

Dann war nur noch eine fahle Dunkelheit um sie, auf dem Gang brannte die Notbeleuchtung und verwischte mit ihrem trüben Licht alle Konturen.

Forster wartete, bis Karsanow, wie jede Nacht, laut zu schnarchen begann, beugte sich dann noch einmal über Milda und küßte ihre zusammengepreßten Lippen.

»Ich hole dich doch hier heraus!« sagte er leise und zog die Decke bis zu ihrem Kinn herauf. »Ich schwöre es dir – ich habe noch nie ein Mädchen so geliebt wie dich!«

Mitten in der Nacht schreckten sie alle auf.

Mulanow, der Schaffner, riß die Abteiltür auf und stürzte in den Raum.

Forster knipste das Licht an, Karsanow zuckte hoch und stieß mit dem Kopf gegen die Waggonwand. Milda kroch in sich zusammen wie ein getretener Wurm.

Mulanow war bleich und so schwach auf den Beinen, daß er sich am Türrahmen festklammern mußte.

»Wachen Sie auf, Genossen!« stammelte er. »Beim heiligen Stephanus … wachen Sie auf! Etwas Furchtbares ist passiert! Man hat Klaschka Iwanowna ermordet …«



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