Totensand by Lykk Dietmar

Autor:Lykk, Dietmar
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-86358-002-5
Herausgeber: Emons
veröffentlicht: 2014-11-06T16:00:00+00:00

5.

Malbek las gerade an seinem Schreibtisch den Bericht über einen Einsatz des SEK in einer Wohnung in Mettenhof, als sein Handy sich mit Glockenspiel meldete, dem Signal, das er für den SMS-Eingang gewählt hatte.

Die SMS kam von Jette.

»Ihr seid wie ein altes Ehepaar! Ich habe Eric in Dodensand getroffen, er hat mich wie eine Aussätzige behandelt. Genau wie du. Was habe ich dir getan? Was ist in Kiel so interessant? Dein Briefkasten quillt über. Elena und Dittrich: was nun mit der Vereinssitzung wird. Ob er im Park hinter dem Gutshaus den Bruch aus den Bäumen holen soll. Sophie: ob du am Wochenende Zei…«

Der Wortschwall brach endlich ab.

Wieder dieses Dodensand. Wo hatte er das neulich gelesen … heute Morgen in der Landeslage! Da war von einem Leichenfund am Strand die Rede gewesen!

Das Glockenspiel meldete sich wieder.

»…t hast. Ihr hättet eine Regressionsphase. Wie im Kindergarten!«

Malbek wartete noch ein paar Sekunden. Jetzt schien sie endlich fertig zu sein. Und rief auch nicht an. Wahrscheinlich hatte sie Dampf ablassen wollen.

Er rief am Computer die aktuelle Landeslage auf. Ein zehnjähriger Junge hatte mit seinem Kinderspaten am Strand von Dodensand eine Leiche gefunden.

Jette war also gestern da gewesen und hatte sicher aktuelle Informationen. Die »Sydslesvig Tidende« hatte er in Kiel nicht gelesen. Und im Internet war nie die komplette aktuelle Ausgabe zu finden.

Er rief Jette an. Sie hob gleich nach dem ersten Verbindungston ab. Sie schien auf dem Handy gesessen zu haben.

»Jette, bitte, bitte, nur eine Information brauche ich, es ist ganz wichtig, bitte …« Er hörte sie einfach dazwischenreden, sie hörte ihm nicht zu, aber er hörte ihr ja auch nicht zu. »… nur eine Information, hör mir gut zu. Sonst lege ich gleich wieder auf …« Sie wurde still. »Wie heißt der Junge mit Nachnamen? Wie heißt der Junge, der zehnjährige Junge, der in Dodensand, wo du gestern warst, diesen Leichenfund gemacht hat?«

»Er hat ja zunächst nur eine Hand gefunden …«

»Nein, Jette, ich hatte gefragt, wie er heißt! Wie heißt der Junge mit Nachnamen?«

»Gondersen. Wolfram glaub ich, warte mal, ich …«

Malbek legte auf.

Auf dem Flur rannte er gegen eine Dame aus dem zentralen Schreibdienst, die ihm in der letzten Zeit gerne Dienstliches persönlich auf den Schreibtisch legte.

»Keine Zeit! Legen Sie es in mein Fach.« Sie sah ihm mit einem Schmollmund enttäuscht nach, wie er die Treppe hinunterrannte.

Auf der Fahrt nach Schleswig drehten sich immer wieder die gleichen Fragen wie ein Karussell im Kopf herum. War Marlene Gondersen eine viel bessere Schauspielerin, als er geglaubt hatte? Wieso hatte sie ihm vor ein paar Stunden in dem Café verschwiegen, was ihrem Sohn passiert war? Bei seinem »Kondolenzbesuch« hatte sie erwähnt, dass ihre Schwiegermutter mit ihrem Sohn an den Strand wollte. Zur Ablenkung. Das war gründlich schiefgegangen. Es gab noch die Möglichkeit, dass sie es vor ein paar Stunden, als er mit ihr in Schleswig im Café saß, tatsächlich nicht gewusst hatte. Zu diesem Zeitpunkt aber wusste es ihre Schwiegermutter schon seit mindestens vierundzwanzig Stunden. Sie hätte ihre Schwiegertochter zumindest anrufen und ihr sagen müssen, was dem Jungen passiert war.

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