Totenpfad by Elly Griffiths

Totenpfad by Elly Griffiths

Autor:Elly Griffiths [Griffiths, Elly]
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
Tags: Spionage, Belletristik/Krimis, Thriller
Herausgeber: Rowohlt Digitalbuch
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Der Wind ist stärker geworden, sie müssen den Kopf gesenkt halten, um keinen Sand in die Augen zu bekommen. Wäre es nach Ruth gegangen, hätten sie auch schweigend dahinstapfen können, doch Peter will offensichtlich reden. Er erzählt von der Arbeit, von seinem Skiurlaub (daher die Bräune) und tut seine Ansichten über die Regierung kund, die in jenem rauschhaften Sommer vor zehn Jahren gerade an die Macht gekommen war. Victoria und Daniel erwähnt er mit keinem Wort. Ruth erzählt von ihrer Arbeit, ihren Eltern und den Eisenzeitleichen.

«Was hält denn Erik davon?», fragt Peter. Er geht rasch, mit großen Schritten, über das unebene Gelände, und Ruth muss fast rennen, um mit ihm Schritt zu halten.

«Er glaubt, es hängt alles zusammen.»

«Na klar.» Peter ahmt Eriks schweren, norwegischen Akzent nach. «Der heilige Ort, die Macht der Landschaft, das Tor zwischen Leben und Tod.»

Ruth muss lachen. «Genau. Phil hingegen hält alles für Zufall und wartet auf die geophysikalischen Berichte und die Ergebnisse der Radiokarbondatierung.»

«Und was glaubst du?»

Ruth schweigt. Jetzt erst wird ihr klar, dass Erik ihr diese Frage gar nicht gestellt hat.

Schließlich sagt sie: «Ich glaube, dass ein Zusammenhang besteht. Die erste Eisenzeitleiche markiert den Anfang des Sumpflands, und der Dammweg führt direkt zum Henge, der wiederum den Punkt markiert, wo das Moor ins Watt übergeht. Was die Knochen aus Spenwell bedeuten, weiß ich nicht, aber sie sind offensichtlich auch eine Art Grenzmarkierung. Grenzen sind eben bedeutsam. Schau dir doch nur an, wie wichtig es uns heute noch ist, alles an seinem angestammten Ort zu halten. Ständig wollen die Leute, dass man auf Abstand geht. Ich glaube, die Urmenschen wussten ganz gut, wie man das macht.»

«Du hast ja auch immer großen Wert auf deine Privatsphäre gelegt», sagt Peter mit leiser Verbitterung.

Ruth sieht ihn an. «Hier geht es doch gar nicht um mich.»

«Ach nein?»

Sie sind beim ersten versunkenen Pfahl angekommen. Peter betastet nachdenklich den Eichenstumpf. «Müsst ihr die Pfähle ausgraben?»

«Erik möchte das vermeiden.»

«Ich erinnere mich noch an die ganze Aufregung, als wir den Henge ausgegraben haben. Die Druiden, die sich an die Holzpfähle gekettet haben, die Polizei, die sie gewaltsam entfernt hat …»

«Ja.» Auch Ruth erinnert sich daran. Sehr lebhaft sogar. «Aber es ist doch so … Durch die Ausgrabung haben wir eine ganze Menge über den Henge herausgefunden, beispielsweise, was für Äxte verwendet wurden, um das Holz zu fällen. Wir haben sogar Fasern von den Seilen gefunden, mit denen die Pfähle transportiert wurden.»

«Mistelzweige, nicht?»

«Du hast wirklich ein sehr gutes Gedächtnis.»

«Ich erinnere mich an jedes einzelne Detail aus diesem Sommer.»

Weil sie spürt, dass Peter sie eindringlich ansieht, meidet Ruth seinen Blick und schaut stattdessen aufs Meer hinaus, wo die Wellen bereits recht nahe kommen, weiße Gischt vor all dem Grau. Plötzlich fliegt ein Stein an ihr vorbei, hüpft ein-, zwei-, dreimal übers Wasser.

Sie dreht sich nach Peter um, der grinsend seinen Wurfarm dehnt.

«Das hast du schon immer gut gekonnt», sagt sie.

«Ist eben so ein Männerspiel.»

Eine Zeitlang schweigen sie und sehen zu, wie die Wellen immer näher an ihre Füße heranschwappen. Jedes Mal, denkt Ruth, will man ein klein wenig zu lang stehen bleiben, bis das Wasser die Füße tatsächlich erreicht.



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