Totenmontag by Kathy Reichs

Totenmontag by Kathy Reichs

Autor:Kathy Reichs [Reichs, Kathy]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-11-17T23:00:00+00:00


21

»Kippen Sie den Schädel nach hinten und bewegen Sie den Lichtstrahl über den Backenzähnen hin und her.«

Ich tat es.

»Können Sie einen gewissen Glanz in den Vertiefungen des Schmelzes sehen?«

Konnte ich nicht.

»Richten Sie den Strahl schräg darauf.«

Bergeron hatte Recht. Der Glanz war zwar nur schwach, aber eindeutig vorhanden, bis tief hinein in die Furchen.

»Was ist das?«

»Wenn ich mich nicht irre, wurden die Backenzähne mit einer Loch- und Rissversiegelung behandelt.«

Als ich den Kopf hob, stakste Bergeron eben zum Mikroskop. Der Mann war ganz bestimmt nicht poetry in motion.

»Die Versiegelung besteht aus einer dünnen Schicht eines Kunststoffharzes, das auf die Kauflächen der Backen- oder Eckzähne aufgetragen wird. Es wird als Flüssigkeit aufgestrichen, und in knapp einer Minute härtet es aus und bildet eine Schutzschicht.«

»Wozu dient das?«

»Zur Verhinderung von Okklusivkaries. Zahnfäule.«

Bergeron legte den Unterkiefer von LSJML-38 428 unter die Linse, schaute durchs Okular und stellte die Schärfe ein.

»Oui, Madame. Das ist eine Versiegelung.«

Hoffnung flatterte schwach wie eine Motte in meiner Brust.

»Seit wann werden diese Versiegelungsmittel verwendet?«

»Die ersten kommerziell verfügbaren wurden ab Anfang der Siebziger an Zahnärzte verkauft. Weit verbreitet sind sie allerdings erst seit den Achtzigern«, sagte Bergeron, ohne hochzusehen.

Aus der Motte wurde ein Kolibri.

Das Mädchen in Leder konnte also nicht in den Fünfzigern gestorben sein! Die C-14-Daten und Bergerons Angaben katapultierten sie in die Achtziger.

Ich versuchte, meine Stimme ruhig zu halten.

»Wie gebräuchlich sind diese Versiegelungen?«

»In forensischer Hinsicht leider sehr. Die meisten Kinderzahnärzte empfehlen die Anwendung, sobald die Backenzähne durchbrechen. In fast allen amerikanischen Bundesstaaten gibt es seit mindestens zwanzig Jahren entsprechende Programme, die über die Schulen laufen. Kanada hinkt da leider ein bisschen hinterher, aber seit Mitte der Achtziger sind diese Versiegelungen auch bei uns sehr populär.«

Bergeron schaltete das Fiberoptik-Licht aus.

»Dieser jungen Dame hat es allerdings nicht sehr viel gebracht.«

Er deutete mit dem Kinn auf das Dr.-Energy’s-Mädchen. »Sie hat mehr Karies als die da drüben.«

»Das heißt, sie war irgendwann einmal bei einem Zahnarzt, kümmerte sich danach aber nicht mehr um ihre Zähne.«

»Typisches Verhaltensmuster bei Ausreißern. Die Eltern kümmern sich um die Zahnvorsorge, solange die Kinder noch klein sind, dann laufen die davon und landen auf der Straße, Ernährung und Hygiene werden vernachlässigt, und die Zähne leiden darunter.«

»Wie alt war sie?«

Bergeron kehrte zum Lichtkasten zurück und betrachtete die Zahn-Röntgenbilder von 38 428.

»Ein bisschen älter als die anderen. Ich würde sagen, achtzehn bis einundzwanzig.«

Wieder stimmte Bergerons Schätzung mit dem überein, was ich aus den Knochen geschlossen hatte.

»Gibt es auch bei den beiden anderen Hinweise auf Versiegelung?«

Noch einmal untersuchte Bergeron die Zähne von 38 426 und 38 427. Keine der beiden war behandelt worden.

»Schade, dass es bei keiner irgendwelche Füllungen gibt. Sagen Sie mir Bescheid, wenn ich Ihnen noch anderweitig behilflich sein kann.«

»Sie haben mir bereits sehr geholfen.«

Ich rannte in mein Büro und wählte Claudels Nummer.

Er und Charbonneau waren eben mit einem Verhör beschäftigt und durften nicht gestört werden. Ich hinterließ ihm die Nachricht, dass er mich so schnell wie möglich zurückrufen solle.

Dann kehrte ich ins Labor zurück und nahm das Kieferfragment zur Hand, das Bergeron neben dem Mikroskop liegen gelassen hatte. Ich wollte es eben



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