Totenbuch by Patricia Cornwell

Totenbuch by Patricia Cornwell

Autor:Patricia Cornwell [Cornwell, Patricia]
Die sprache: eng
Format: epub, mobi
veröffentlicht: 2011-11-12T14:55:03+00:00


12

Von den Eichen tropft das Wasser.

Im Schatten der Vogelbeer- und Olivenbäume arrangiert Scarpetta Tonscherben auf dem Grund von Blumentöpfen, damit sich keine Staunässe bildet, die dazu führen würde, dass die Pflanzen verfaulen. Die warme Luft dampft noch von dem Regenguss, der aus heiterem Himmel angefangen und kurz darauf wieder aufgehört hat.

Bull schleppt eine Leiter zu einer Eiche, deren Krone den Großteil von Scarpettas Garten überspannt wie ein Baldachin. Unterdessen füllt sie Blumenerde in die Töpfe und pflanzt Petunien, Petersilie, Dill und Fenchel ein, weil sie Schmetterlinge anziehen. Den pelzigen Ziest und den Beifuß setzt sie um, damit sie mehr Sonne abbekommen. Der Duft von feuchter lehmiger Erde mischt sich mit dem scharfen Geruch nasser Ziegel und von Moos, als sie sich ziemlich steif - die vielen Jahre, in denen sie auf den harten Fliesenböden von Autopsiesälen stand, fordern ihren Tribut - vor einen mit Steckpalmenranken überwucherten Backsteinpfeiler kauert, um das Problem in Augenschein zu nehmen.

»Wenn ich die Dinger rausreiße, könnte ich den Stein beschädigen. Was meinen Sie, Bull?«

»Das ist Backstein aus Charleston, wahrscheinlich zweihundert Jahre alt.« Bull steht oben auf der Leiter. »Ich ziehe später ein bisschen daran und sehe, was passiert.«

Die Steckpalmenranken lassen sich mühelos entfernen. Scarpetta füllt eine Gießkanne und versucht, nicht an Marino zu denken. Wenn ihr Rose einfällt, wird ihr flau im Magen.

»Bevor Sie kamen, ist ein Mann auf einem Motorrad durch die Gasse gefahren«, berichtet Bull.

Scarpetta hält inne und starrt ihn an. »War es Marino?«

Als sie von dem Besuch bei Rose zurückgekehrt ist, war das Motorrad verschwunden. Offenbar hat er sich von zu Hause den Ersatzschlüssel geholt.

»Nein, Ma'am. Er war es nicht. Ich stand gerade auf der Leiter, um die japanische Quitte zu stutzen. Deshalb konnte ich über den Zaun schauen und den Motorradfahrer sehen. Er hat mich nicht bemerkt. Vielleicht ist es ja nicht weiter wichtig.« Die Gartenschere klappert. Seitentriebe fallen zu Boden. »Falls Sie belästigt werden, können Sie es mir ruhig erzählen.«

»Was hat der Mann dann getan?«

»Er ist abgebogen und langsam bis zur Hälfte der Gasse gefahren. Dann hat er kehrtgemacht. Er hatte so ein Biker-Kopftuch auf, orange und gelb gemustert. Aber ich bin nicht ganz sicher. Mit dem Auspuff seines Motorrads war irgendwas nicht in Ordnung. Er hat geklappert und gekeucht, als würde er gleich den Geist aufgeben. Sie sollten mir sagen, was los ist. Dann passe ich besser auf.«

»Haben Sie ihn schon mal hier gesehen?«

»Dieses Motorrad würde ich überall wiedererkennen.«

Sie erinnert sich an Marinos Worte von gestern Nacht, ein Motorradfahrer habe ihm gedroht, ihr könnte etwas zustoßen, wenn sie nicht aus der Stadt verschwinden würde. Wer will sie nur so dringend loswerden? Der hiesige Leichenbeschauer fällt ihr ein.

»Was wissen Sie eigentlich über unseren Leichenbeschauer Henry Hollings?«, fragt sie Bull.

»Sein Bestattungsinstitut ist schon seit dem Bürgerkrieg in Familienbesitz. Es ist das große Haus hinter der hohen Mauer in der Calhoun Street, also nicht weit von hier. Mir gefällt der Gedanke gar nicht, dass jemand Sie belästigen könnte. Außerdem ist Ihre Nachbarin ziemlich neugierig.«

Wieder schaut Mrs. Grimball aus dem Fenster.

»Sie beobachtet mich mit Argusaugen«, fährt Bull fort.



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