Tote gehen nicht by Carola Clasen

Tote gehen nicht by Carola Clasen

Autor:Carola Clasen [Clasen, Carola]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2013-02-04T05:00:00+00:00


7. Kapitel

14. Mai, 10.10 Uhr

Hotel Sophienhof, Gemünd

Martin Sonntag?« Sonja Senger schrie Hubert Thelen, den Hotelier vom Sophienhof, an, nachdem er ihr von einem späten Gast berichtet hatte, der eingetroffen sei, nachdem die Polizei unverrichteter Dinge abgezogen war und Anna Grund sich längst erschöpft zurückgezogen habe. »Das war unser Mann!«

»Sie hätten ja hier bleiben können!«, wehrte sich Thelen.

Sonja schluckte, er hatte nicht ganz unrecht. Aber weder Brummer noch Neugebauer noch sie selbst hatten gestern gegen 22 Uhr, als sie nach Hause gefahren waren, daran geglaubt, dass Dr. Edgar Schramm noch auftauchen würde. Eine Panne, die nicht hätte passieren dürfen.

»Außerdem hieß er Martin Sonntag und kam aus Steinfeld«, verteidigte sich Thelen.

»Und ich bin Königin Beatrix und komme aus Den Haag.«

Er grinste.

»Hat er Ihnen seinen Personalausweis vorgelegt?«

Thelen verging das Grinsen.

Sonja schlug sich gegen die Stirn. »Ich fasse es nicht.«

Er musterte sie misstrauisch.

»Also gut, erzählen Sie mal, aber schön der Reihe nach!«

Hubert Thelen, der im Sophienhof Hotelier, Kaltmamsell und Zimmermädchen, letztendlich Mädchen für alles war, hatte Anna Grund beim Frühstück vermisst. Obwohl er meist viele Gäste hatte, verlor er nie den Überblick. Aus reiner Fürsorge hatte er um 8.30 Uhr an Zimmer 23 angeklopft. Aber sie hatte nicht reagiert. Es war still hinter ihrer Tür. Vielleicht war Schlafen für die Arme im Augenblick wichtiger als Essen.

Als er gegen 9 Uhr zu Zimmer 23 zurückkehrte, herrschte die gleiche Stille. Auch gut, sagte er sich, und säuberte erst das danebenliegende Zimmer 24, in dem der Wanderer Martin Sonntag eine Nacht verbracht hatte. Er bezog die Betten neu, putzte das Bad und saugte über den Teppichboden. Besonders im Bad horchte er auf Geräusche, die von nebenan kamen.

Danach – es war inzwischen 9.30 Uhr vorbei – glaubte er keine andere Wahl zu haben. Er öffnete das Zimmer mit seinem Generalschlüssel.

»Hallo? Frau Grund?«

Niemand da. War der Vogel ausgeflogen? Es gab immer wieder mal Gäste, die verschwanden ohne zu bezahlen. Aber bei dieser Frau hätte er nicht damit gerechnet. Er zog die Vorhänge auf und sah auf das ungemachte Bett. Ihre Kleidung lag auf dem Stuhl, ihre Reisetasche stand am Boden. Sein Blick fiel auf die Badezimmertüre. Sie stand ein wenig offen. Dahinter brannte Licht, das einen seltsam rötlichen Schein durch den Spalt warf.

»Frau Grund?«

Thelen schob die Türe auf.

Von den weißen Kacheln war nicht mehr viel zu sehen. Der Mörder hatte ein Blutbad angerichtet. Anna Grund lag nackt und mit verdrehten Beinen in einer Lache in der Dusche, in der sich Wasser und Shampoo und Blut zu einer ekelerregenden Brühe vermischten. Blut auf dem Duschvorhang, auf dem Boden, an den Wänden, auf dem Spiegel, auf den Handtüchern.

Thelen hatte als Hotelier schon so manches erlebt und war nicht leicht aus der Bahn zu werfen, aber bei diesem Anblick hatte er das Gefühl gehabt, dass sich sein Magen einmal um sich selbst drehte und an verkehrter Position zur Ruhe kam. Er hielt sich die Hand vor den Mund.

Anna Grunds Körper war von Stichwunden übersät. An Oberschenkeln, Armen, Bauch, Brust und Hals klafften spitze Löcher, als habe der Mörder in blinder Wut auf sie eingehackt.



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