Toleranz und Gewalt - Das Christentum zwischen Bibel und Schwert by Arnold Angenendt
Autor:Arnold Angenendt [Angenendt, Arnold]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Geschichte, Kirchengeschichte, Christentum, Kirchenkritik, Sozialgeschichte, Spannungsverhältnis Religion-Säkulargesellschaft, religiöse Konflikte, Religion
ISBN: 9783402196779
Herausgeber: Aschendorff
veröffentlicht: 2012-06-14T22:00:00+00:00
1. Definition und Motive
Die Kreuzzugsforschung ist in den letzten dreißig Jahren geradezu explodiert256. Für die deutsche Forschung steht der Kieler Historiker Hans E. Mayer mit seinem Standardwerk ›Geschichte der Kreuzzüge‹, nun (2005) in zehnter Auflage. Dominant ist derzeit die englische Forschung mit Jonathan Riley-Smith, der 1986 ein größeres Werk über den Ersten Kreuzzug257 vorlegte und den deutschen Lesern über die entsprechenden Artikel in der ›Theologischen Realenzyklopädie‹, im ›Lexikon des Mittelalters‹ und zuletzt noch im Katalog der Mainzer Kreuzzüge-Ausstellung von 2004 zugänglich ist258. Riley-Smith’ Definition lautet: „Ein Kreuzzug war ein heiliger Krieg, der zur Wiedererlangung christlicher Besitzrechte oder zum Schutze der Kirche oder der Christen gegen diejenigen ausgetragen wurde, die als äußere oder innere Feinde der Christenheit angesehen wurden. Er galt als Anliegen der Christenheit insgesamt, und daher wurde ein Kreuzzugsheer als international angesehen … Man glaubte, daß der Krieg, den ein solches Heer austrug, unmittelbar von Christus selbst durch den Papst als sein Sprachrohr gebilligt worden sei. Unter den Teilnehmern gab es zumindest einige, die ein aus dem der Wallfahrer sich herleitendes Gelübde ablegten, und man belegte sie und ihre Feldzüge oft mit Begriffen aus dem Wallfahrtswesen; ebenso wurde ihnen Ablaß gewährt … Kreuzzüge wurden im Nahen Osten, in Spanien, in Nordafrika, im Baltikum, in Osteuropa sowie auch innerhalb Westeuropas unternommen. Unter den Feinden waren Moslems, heidnische Slawen, Mongolen, orthodoxe Christen (Griechen und Russen), Häretiker (Katharer, Bogomilen, Hussiten) sowie politische Gegner des Papsttums“259. Diesem weitgefaßten Ansatz folgt auch Nikolas Jaspert|421| in seinem umsichtig angelegten Kreuzzugs-Buch: „Es werden unter ‚Kreuzzügen‘ alle von Päpsten ausgerufene und mit der Zusage eines Ablasses ausgestattete Kriegszüge gegen Feinde des Glaubens und der Kirche verstanden“260. Peter Thorau konzentriert seine ›Kreuzzüge‹ mehr auf Jerusalem und das Heilige Land, wohin die pilgernden Ritter Christi mit Pilgerstab und zugleich Waffen aufgebrochen seien261, während der Franzose Jean Flori zuerst an Heiligen Krieg denkt262.
Mit ‚päpstlich ausgerufen‘ sind die Kreuzzüge als kirchlich-offiziell und mit ‚Ablässen ausgestattet‘ als kirchlich-religiös gekennzeichnet. In dieser Beurteilung herrscht nunmehr Einigkeit: Es war ein primär religiöser Antrieb, bei dem allerdings eine Vielzahl neuer wie aber auch hergebrachter Motive mitwirkte. Vornan stand die Wallfahrt, deren sündentilgend-verdienstliche Wirkung schon seit Jahrhunderten selbstverständlich war, die nun aber einen ungewöhnlichen Akzent erhielt: Sie sollte, anders als die frühere nur mit Stab und Pilgertasche, mit Waffen stattfinden, aber allein für Ritter, die den Schutz der Jerusalem-Pilger gewährleisten sollten. Doch schon das dafür notwendige Waffentragen warf Probleme auf, ob nämlich militärische Gewalt zugunsten geistlicher Unternehmungen überhaupt erlaubt sei263. Hier hatte die Gottesfriedens-Bewegung (eine bewaffnete Selbsthilfe der Bischöfe und Äbte gegen Willkürgewalt) schon vorgearbeitet, stärker noch die von Gregor VII. († 1085) vorgenommene Erweiterung des ‚geistlichen Kriegsdienstes‘ (die ursprünglich als ‚militia spiritualis‘ nur das Klosterleben meinte) zu einem bewaffneten Kriegsdienst für das Reformpapsttum: Die ‚Krieger des heiligen Petrus‘ (milites sancti Petri) waren nicht mehr Beter im Kloster, sondern Kämpfer mit dem Schwert. Daß aber für die geistliche Sache der Kirche weltlich gekämpft werden sollte, verlangte Abänderungen des zuvor in geistlichen Dingen geltenden Waffenverbots: Nun sollten Feinde der Kirchenreform eben doch blutig bekämpft werden dürfen. Ebenso
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