Toedliches Eis by Jeff Long

Toedliches Eis by Jeff Long

Autor:Jeff Long [Long, Jeff]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
Herausgeber: Blanvalet
veröffentlicht: 2015-09-14T16:00:00+00:00


Es war noch dunkel und windig, als Abe den blökenden Ruf eines Yakhirten hörte. Ein Traum war es nicht – der Sauerstoff reichte nicht aus, um so tief in eine REM-Phase einzutauchen –, und doch war Abe für einen Moment verwirrt und glaubte, der kleine Mönch sei wieder zurückgekommen. Der Schrei ertönte noch einmal, und diesmal begriff Abe, daß es ein Weckruf von Daniel war.

Im Schein der Stirnlampen machten sich Abe und JayJay fertig. Sie zogen sich an, während die Flamme des Gaskochers unter einem Topf mit Eis zischte. Es war drei Uhr morgens. Um diese Zeit würde der Berg erstarrt sein, die Temperatur war auf dem niedrigsten Stand der ganzen Nacht. Die Steinschlaggefahr war gering. Und Daniel wollte noch heute Camp vier erreichen. Sie mußten zweihundertfünfzig Meter weit an bereits vorhandenen Fixseilen durch den »Schießstand« hinaufsteigen, ehe sie die letzten hundert Meter in Angriff nehmen konnten. Laut JayJays Vorhersage würde es ein verdammt harter Tag werden. Deshalb war es wichtig, daß sie früh aufbrachen.

Abe zog noch einmal an seinen Gurten und Schnallen. Die Schneegamaschen, der Helm, der Rucksack und die Seitentaschen, der Klettergurt – alles wurde festgezurrt.

»Ich bin gleich soweit«, versprach JayJay, doch er war bestenfalls halb fertig. In der Nacht hatte er schlimme Magenkrämpfe gehabt, und er brauchte länger als die anderen, um sich startbereit zu machen. JayJay hatte seine Schmerzen als Nebenwirkung der Anabolika abgetan, die er einnahm. Abe glaubte eher, daß Aspirin die Ursache des Problems war. In dieser Höhe vermehrten sich die roten Blutkörperchen – die Sauerstoffträger – so stark, daß das Blut so dick wurde wie Sirup. Diejenigen Bergsteiger, die Aspirin schluckten, um dem entgegenzuwirken, bekamen oft Magengeschwüre, schlechte Zähne und furchtbare Verstopfung.

»Wir sehen uns dann«, sagte Abe, was auch immer er mit »dann« meinte. Er bereitete sich innerlich auf die kalte Luft vor und öffnete den Reißverschluß des Zeltes. Die Kälte schlug ihm ins Gesicht, und er zuckte zurück. Dann sah er sich um und sagte: »Mein Gott!« In der Dunkelheit leuchteten Millionen von Sternen. Ein Teppich aus kleinen Lichtpunkten überzog den Himmel. Abe sah nach oben. Dort, wo der Teppich an einer gezackten Linie aufhörte, begann das dunkle Reich des Berges.

Abe machte sich auf den Weg. Er wollte mit den anderen mithalten und hatte sich mit fünfzehn Kilo eine Last aufgeladen, die vertretbar, aber immer noch respektabel war. Er hielt sich an dem Fixseil fest und bahnte sich auf ebenem Gelände einen Weg zum fünfzehn Meter entfernten »Schießstand«. Gus wartete schon auf ihn; sie war ähnlich bepackt wie er.

»Daniel mußte kotzen«, sagte sie, um die Abwesenheit ihres Partners zu entschuldigen.

»JayJay geht’s auch nicht gut«, erwiderte Abe.

Gus klopfte Abe sanft auf die Schulter. »Dann sind nur wir beide übrig, Doc. Wir zeigen’s den Schwächlingen. Die können ja nachkommen.« Abe war dankbar für ihre Kameradschaftlichkeit. Gus hatte seine Besorgnis gespürt, denn seit Wochen hatte man über die Schrecken des »Schießstandes« gesprochen. Jetzt würde Abe diesen Gefahren zum erstenmal ausgesetzt sein.

Gus leuchtete mit ihrer Stirnlampe die vier Seile ab, die nebeneinander in den »Schießstand« hinaufführten. Jedes Seil repräsentierte eine der vier Expeditionen, die diesen Engpaß betreten hatten.



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