Todesfahrt by Marni Nicola

Todesfahrt by Marni Nicola

Autor:Marni, Nicola [Marni, Nicola]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Herausgeber: Random House DE
veröffentlicht: 2013-02-17T16:00:00+00:00


ELF

Um Abdullah Abu Na’ims Lippen spielte ein verstehendes Lächeln. Insgeheim aber spottete er über die Bundeskanzlerin, die ihm gegenübersaß und in den letzten Tagen um mindestens zehn Jahre gealtert war.

»Sie bringen keine guten Nachrichten, Herr Na’im«, sagte sie eben.

Der Saudi hob bedauernd die Hände. »Ich hätte Ihnen gerne eine bessere Botschaft überbracht, Euer Exzellenz. Leider aber befinden sich die Geiseln an Bord der Lady of the Sea in keiner beneidenswerten Lage. Sie werden, wie ich erfahren habe, sehr schlecht versorgt, weil die Piraten sie möglichst schwach halten wollen, um sie besser kontrollieren zu können. Es befinden sich lange nicht so viele Somalis wie Gefangene an Bord. Würde es dem Kapitän gelingen, die männlichen Besatzungsmitglieder zu einem Aufstand zu bewegen, gäbe es ein Blutbad. Daher tun die Piraten alles, um solch eine Situation von vornherein zu verhindern.«

»Ich habe auch von Vergewaltigungen gehört«, sagte die Kanzlerin voller Abscheu, während ihr Gegenüber die Narren auf der Lady of the Sea verfluchte, denen es nicht gelang, die Übertragungen von Bord des Schiffes zu unterbinden.

»Davon weiß ich nichts«, behauptete er. »Allerdings stehe ich nicht direkt mit den Piraten in Kontakt, sondern mit dem ehrenwerten Kadi Wafal Saifullah, meinem Schwiegervater. Dieser kann auch nicht persönlich mit den Piraten verhandeln, sondern muss Mittelsmänner in Anspruch nehmen. Das dauert leider seine Zeit. Für die armen Menschen an Bord, die so schrecklich leiden müssen, ist das natürlich fatal.«

Die Kanzlerin nickte unwillkürlich. Dann raffte sie sich auf und blickte Abdullah Abu Na’im ins Gesicht. »Wir sind bereit, Lösegeld für die Lady of the Sea zu zahlen und für die Menschen, die sich darauf befinden. Die Summen, die von den Piraten verlangt werden, sind jedoch illusorisch. Zehn Millionen sind das Äußerste!«

Bei diesen Worten klang die Kanzlerin so entschlossen, dass Sayyidas Abgesandter sich auf lange und harte Verhandlungen einstellte. Da war es vielleicht doch ganz gut, wenn die Bereitschaft der deutschen Regierung, möglichst bald einzulenken, durch Informationen über die schlechte Behandlung der Geiseln verstärkt wurde. »Ich wage nicht, dieses Angebot weiterzuleiten«, sagte er deshalb mit leiser Stimme. »Die Freiheitshelden Somalias würden mit Sicherheit Geiseln erschießen, um zu beweisen, wie ernst es ihnen mit ihren Forderungen ist. Schließlich geht es dieser Gruppierung nicht nur um Geld!«

»Politische Zugeständnisse kann Deutschland nicht machen.« Die Kanzlerin fühlte sich wie an einem Bratspieß, der über einem immer heißer lodernden Feuer gedreht wurde. Die Öffentlichkeit verlangte von ihr ein rasches Ende der Geiselnahme. Daher war sie bereit, ihr Angebot notfalls zu verdoppeln und zu verdreifachen. Doch die Forderung nach über einer halben Milliarde Euro konnte sie nicht erfüllen.

Abdullah Abu Na’im genoss die Situation. Noch sträubte sich die Deutsche, aber wenn die Bilder von erschossenen Matrosen und Passagieren durch die Weltpresse gingen, würde sie kapitulieren müssen.

»Den Freiheitshelden Somalias sind ihre politischen Forderungen womöglich noch wichtiger als das Geld. Selbst meinem Schwiegervater ist bekannt, dass Deutschland den Rebellen in Somaliland Waffen geliefert hat, mit denen die Isaaq auch seinen Stamm bekämpft haben. Deshalb ist die Forderung auch so hoch. Mein Schwiegervater verlangt eine Wiedergutmachung für die Schäden, die seinen Leuten



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