Tod zwischen den Zeilen by Donna Leon
Autor:Donna Leon [Leon, Donna]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimis & Thriller, Kriminalliteratur
ISBN: 9783257604597
Google: i12aBQAAQBAJ
Goodreads: 25563167
Herausgeber: Diogenes Verlag AG
veröffentlicht: 2015-05-19T22:00:00+00:00
[147] 12
Brunetti erhob sich mit einem Lächeln. Sartor sah ihn und Vianello unschlüssig an, erhob sich dann ebenfalls. Der Commissario reichte ihm über den Tisch hinweg die Hand und erklärte verbindlich: »Sie haben uns sehr geholfen, Signor Sartor.«
Der Wachmann lächelte schwach. Er schob seinen Stuhl unter den Tisch und wandte sich zur Tür.
Als wäre ihm der Gedanke gerade erst gekommen, fragte Brunetti, während Sartor schon die Klinke in der Hand hielt: »Sie sagten, Dottor Nickerson habe sehr gut Italienisch gesprochen. Wäre es denkbar, dass er tatsächlich Italiener war?«
Sartor ließ ihnen den Vortritt und schloss die Tür ab. Er behielt den Schlüssel lange in der Hand, bevor er ihn in die Tasche steckte. Am Fuß der Treppe blieb er vor Brunetti stehen. »Der Gedanke ist mir noch nie gekommen. Er sagte, er sei Amerikaner, habe aber als Kind in Rom die Schule besucht. Mir hat das als Erklärung ausgereicht, warum er praktisch akzentfrei sprach.« Er verstummte, machte ein paar Schritte und drehte sich wieder zu ihnen um. »Vielleicht habe ich das bisschen Akzent nur gehört, weil ich dachte, irgendetwas müsse doch zu hören sein. Ist das möglich?«
Vianello ergriff zum ersten Mal das Wort. »Augenzeugen erinnern sich oft an Dinge, die gar nicht geschehen sind, oder an Leute, die gar nicht dabei waren.«
»Verrückt, oder?«, meinte Sartor.
[148] Er strebte dem Ausgang zur calle zu, aber Brunetti winkte ihn zurück: »Ich würde gern noch mit Dottoressa Fabbiani sprechen.«
»Natürlich, natürlich.« Sartor machte kehrt und ging ihnen voraus die Haupttreppe hinauf. Der Zettel mit der Aufschrift »technische Probleme« hing immer noch an der Tür. Sartor ließ sie hinein und schloss hinter ihnen wieder ab. »Wenn die Herren bitte hier warten wollen. Ich melde Sie an.« Er verschwand in dem Gang, der in den hinteren Teil des Gebäudes führte.
»Gut möglich, dass er sich den Akzent nur eingebildet hat, nicht wahr?«, fragte Vianello.
»Man hat schon Seltsameres erlebt«, antwortete Brunetti. Er stützte sich auf den Tresen und warf einen Blick in die Briefkörbe: eine Fernleihebestellung, ein Katalog für eine Buchauktion in Rom, eine Bewerbung für eine unbezahlte Praktikantenstelle in der Bibliothek.
Man hörte Schritte von ferne, Brunetti nahm den Arm vom Tresen und setzte sich auf einen Stuhl. Vianello tat es ihm nach, lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander.
Die Tür ging auf, Dottoressa Fabbiani erschien, dicht gefolgt von Sartor, der ihr die Tür aufhielt.
»Danke«, sagte sie freundlich. »Du kannst jetzt gehen und dich auf die Formel Eins vorbereiten.« Sartor machte leise die Tür hinter sich zu.
Brunetti erhob sich zur Begrüßung. Es ging ihn zwar nichts an, er fragte aber trotzdem: »Formel Eins?«
Sie lächelte. »Piero ist verrückt danach, nach Sport überhaupt. Ich weiß nicht, wie seine Frau das aushält: Er hat nichts [149] als seine Wetten im Kopf.« Als sie Vianello erblickte, brach sie ab.
»Das ist mein Kollege, Ispettore Vianello«, sagte Brunetti.
Plötzlich nicht mehr so unbekümmert, schlug sie vor, sie sollten sich in ihrem Büro besprechen. Sie führte die beiden so hastig durch das Magazin, dass Brunetti bald jede Orientierung verlor. Schließlich öffnete sie eine Tür am Ende eines mit Bücherregalen vollgestellten Korridors und geleitete sie in ihr Büro.
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