Tod im Barranco by Harald Braem

Tod im Barranco by Harald Braem

Autor:Harald Braem
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9788494150197
Herausgeber: Zech Verlag
veröffentlicht: 2014-11-13T00:00:00+00:00


19 Barranco de Erque, La Gomera

Die Abfahrt findet sich schnell. Eine frisch geteerte Straße, kaum breiter als das Auto. Kein Geländer zur Schlucht hin. Freier Blick über die Felswände talwärts. Im zweiten Gang rollen. Beide Seitenfenster offen. Den Wind fühlen. Sein Spiel. Das Keckern der Falken. Die Luft flimmert über dem Fahrbahnbelag. Steinschlaggeröll.

Die Piste zwängt sich dicht entlang der Felsen ins Tal. Einzelne Palmen, dann ganze Haine. Ziegenställe und Hausruinen am Grund des Barrancos. Ein ausgetrocknetes Flussbett mit einzelnen Wasserpfützen. Jenseits schraubt sich die Piste erneut in die Berge. Plötzliches Ende an einem von Steinmauern umgebenen Platz. Eine Art Wendehammer mit seitlichen Ausbuchtungen zum Parken.

Karl Koller manövriert den Wagen in eine geeignete Stelle hinein. Sie steigen aus, klettern auf die Brüstung. Der Mirador. Ein Wahnsinnsblick in die gewaltige, von gezackten Bergrändern umsäumte Schlucht. Urgewalt der Vulkane. An den Flanken brachliegende Terrassen. Verlassene Häuser, verlassenes Land. Erque, Erquito. Und Esperanza. Die Hoffnung...

Später finden sie das Haus. Eine steile Treppe aus einzementierten Lavasteinen führt direkt darauf zu. Die Wände sind weiß gekalkt. Ein Schild aus glasierten Fliesen: 'Villa Esperanza'. Das Ziel. Karl Koller spürt es sofort. Dies ist ein Geisterhaus. Hier wirken tote Seelen beim großen Spiel mit. Das ist seine gesuchte Location! Hier werde ich in die Tastatur hacken, bis der Laptop glüht. Alles einfangen, konzentrieren und zu Protokoll bringen. Einen Flashrun erleben. Fieberhaft, irre und geil...

Er schließt die Haustür auf. Mit dem Schlüssel, den Herr Neumann ihm vertrauensvoll überlassen hat. Nein, nahezu aufgedrängt hat Herr Neumann Haus und Schlüssel. Er tritt ein und merkt, warum niemand das winzige Ferienhaus mieten will: Die Energie, die der Barranco ausstrahlt, ist viel zu stark für die meisten Leute. Wahrscheinlich auch für Saskia... Wo ist sie eigentlich geblieben? Eben war sie noch da. Stand hilflos herum wie ein Schaf, das unter Wölfe geworfen wird. Die Vulkane verbrennen sie. Wenn sie nicht aufpasst.

'Saskia!' ruft er.

Keine Antwort. Nur der Gesang des Windes. Überall heult es leise, faucht sanft, schwillt an zu Meeresrauschen und verstummt dann plötzlich. Das sind die Geisterstimmen aus dem Barranco.

Karl Koller inspiziert die Ausstattung seines neuen Domizils: ein kleiner Wohnraum mit einem alten grauen Cordsofa, zwei naturfarbene Korbsessel, ein Holztisch. Das Schlafzimmer mit französischem Bett. Große Matratze auf Metallgestell. Bettzeug, Decken und Kissen. Hoher Spiegel im Wandschrank. Toilette mit Dusche. Küche im Anbau.

Mit dem Allernotwendigsten ausgestattet. Vom Kühlschrank läuft und brummt behaglich. Volle Gasflasche unter dem Herd. Nebenan eine Terrasse mit hölzernen Klappstühlen und einem großen, klobigen Tisch.

Wo ist Saskia? Bestenfalls fotografiert sie wieder Blümchen am Wegesrand. Oder holt was aus dem Auto. Ach ja, das Gepäck! Wahrscheinlich holt sie das Gepäck. Denn eines ist ja wohl klar: wir schlafen heute in diesem Haus, in diesem Geisterhaus mit dem französischen Bett und den vielen Decken und Kissen.

Da ist sie wieder. Schleppt tatsächlich das Gepäck. Richtig so. Sie hat es begriffen. Es gibt keine Diskussionen mehr. Kein Rumdiskutieren und Jammern. Vor allem keine endlosen Debatten, die sowieso sinnlos sind. Blödes, nutzloses Vorspiel. Natürlich geht es um Sex. Und dieses französische Bett in diesem abgefahrenen Haus an der abgefahrenen Schlucht ist genau richtig dafür.



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