Tod auf der Northumberland by Daniel Twardowski

Tod auf der Northumberland by Daniel Twardowski

Autor:Daniel Twardowski
Die sprache: deu
Format: azw3, epub, mobi
Herausgeber: Random House DE
veröffentlicht: 2012-12-24T23:00:00+00:00


70.

Selbst die Zudringlichkeiten des jungen Peters machte sie sich zunutze. Er merkte bald, dass Jane zugänglicher war, wenn er bestimmte Fragen beantwortete, etwa nach der Zahl der Ponys in den oberen Sohlen und anderen Dingen, die er nach seinen zehn Jahren überall im Berg einfach besser wusste als sie. Dann durfte er sie anfassen, einmal sogar küssen.

Jane merkte dabei zu ihrem Entsetzen, dass ihr Körper auf seine ungeschickten Zärtlichkeiten reagierte, solange die Annäherungsversuche nicht allzu rau wurden. Der Junge war nicht hässlich, und er war auch nicht böse. Und Jane war erst dreiundzwanzig Jahre alt.

John war seit drei Jahren tot.

»Tu ihm doch den Gefallen«, hatte Beth gesagt, und nun war sie schon einige Male drauf und dran gewesen, diesen Rat zu befolgen. Es war jedenfalls nur noch ihr Kopf, der sich dagegen wehrte.

Als sie schon so viel gesammelt hatte, dass sie daran denken konnte, ihr Wissen zu systematisieren, als sogar schon die ersten Sätze einer Petition in ihr arbeiteten, sagte Beth eines Tages: »Sie reden über dich, im Berg und im Dorf. Sie fragen sich, warum du mit so vielen Leuten sprichst und was du alles wissen willst. Du musst vorsichtiger sein.«

»Warum vorsichtig?«, fragte Jane naiv. Nachdem sie so lange mit den Bergleuten gelebt und gearbeitet hatte, hielt sie sich für eine der ihren und konnte sich nicht vorstellen, dass sie in den meisten der kleinen Häuser immer noch als die Pfarrerstochter galt, ja, dass einige Leute sogar glaubten, sie könne ihre Arbeit im Berg jederzeit aufgeben und zu ihrer Familie zurückkehren.

Da sie schreiben und lesen konnte, war der harmloseste Verdacht der, dass sie vielleicht ein Buch schreiben würde, aber schon dieser Gedanke reichte für erheblichen Unwillen aus. Die Menschen sahen sich als zoologische Objekte, und obwohl kein einziges Wort fiel, fingen einige an, sie ganz offen zu schneiden.

Jane glaubte zuerst, dass die Grubenherren und ihre Spitzel von ihrem Plan Wind bekommen hätten, merkte aber schließlich am eigenartigen Verhalten ihres jungen Verehrers, dass jemand ganz anderes dahintersteckte und offenbar gezielt das Gerücht ausstreute, sie sei einer dieser Spitzel. Und weil von da an niemand mehr mit ihr redete, tat sie genau das, was sie ursprünglich so gefürchtet hatte und um jeden Preis vermeiden wollte: Sie richtete es so ein, dass sie mit dem Hauer allein blieb. Schickte Beth mit den Kindern die Strecke hinauf und kroch zu ihm in den Flöz.

»Tom? Tom Peters?«

»Was willst du?«

»Mit dir reden.«

»Ich arbeite.«

»Sei lieb. Komm herunter!«

Seine zuletzt fast wütenden Schläge erstarben, als sie ihn am Bein berührte. Dann rutschte er ihr nach, hockte nackt vor ihr im Stollen. Schweißtropfen zogen schmale weiße Bahnen über seinen Körper. Ohne ein Wort und wilder, als sie wollte, küsste sie ihn auf den Mund. Für Sekunden erschrak er, erstarrte, dann siegte sein Verlangen nach ihr.



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