Tiere by Beckett Simon

Tiere by Beckett Simon

Autor:Beckett, Simon
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik/Krimis, Thriller, Spionage
Herausgeber: rowohlt


Kapitel 18

Da ich sie nicht aus den Abteilen lassen konnte, machte ich keine richtige Dressur wie bei Hunden. Aber die Hauptsache ist, sie so abzurichten, dass sie machen, was ich ihnen sage, und dafür habe ich ein paar gute Methoden. Ich versuche mir die ganze Zeit neue auszudenken, damit es nicht langweilig wird, und ich war echt zufrieden mit mir, denn während sie sich gestritten hatten, war mir gerade etwas Neues eingefallen.

Die Idee war mir gekommen, als ich sie beim Tanzen erwischt und gesehen hatte, wie sie erstarrt dastanden. Das hatte mich an ein Spiel aus meiner Kindheit erinnert. Es wurde Salzsäule genannt. Dabei steht einer mit dem Rücken zu den anderen, die alle auf ihn zugehen, bis er herumwirbelt. Und dann muss man sofort stehen bleiben, damit er einen nicht dabei erwischt, wie man sich bewegt. Wenn man mit einem Fuß in der Luft erstarrte oder so, war es echt schwer, nicht zu wackeln, aber wenn man wackelte und er einen sah, war man raus. Gewonnen hatte derjenige, der entweder zuerst seinen Rücken berührte oder als Letzter übrig blieb.

Obwohl ich nie gewonnen habe, war es ein gutes Spiel. Besonders wenn man derjenige war, der vor den anderen steht, denn dann müssen die anderen machen, was man sagt. Ich war allerdings nie derjenige, der vorne steht. Einmal wäre ich es fast gewesen, weil ich eigentlich an der Reihe war, aber ein Mädchen sagte, sie wäre an der Reihe, und die Lehrerin glaubte ihr. Danach kam ich nie mehr dran. Sie hieß Sharon Fairweather. Das Mädchen, nicht die Lehrerin. Die hieß Miss Ross. Sie schrie die ganze Zeit, selbst wenn wir spielten, und deswegen sagte ich nicht viel, als Sharon Fairweather an die Reihe kam und nicht ich. Ich wäre nur angeschrien worden. Sharon Fairweather war eine der Lieblinge der Lehrerin, denn sie wusste immer, wie viel von einem Eisberg unter Wasser ist und wie diese komischen kleinen Dinger in der Mitte von Blumen heißen und so weiter. Außerdem konnte sie gut malen. Einmal hat sie ein echt tolles Bild von einem Drachen gemacht. Die Lehrerin hat es aufgehängt, und ich versuchte auch eins zu malen, aber es sah nicht so gut aus. Ich kriegte die Beine nicht richtig hin und das Feuer auch nicht. Sharon Fairweather war total klug, und jeder mochte sie. Ich auch, obwohl das Einzige, was sie jemals zu mir gesagt hat, «Iss nicht mit offenem Mund» war.

Aber jetzt gab es keine Sharon Fairweather, die sich vordrängelte. Ich konnte Salzsäule so oft spielen, wie ich will. Ich ging nach oben und suchte in der Kommode nach den Kassetten. Mein Papa hatte nie eine Jukebox. Er sagte, es ist sein Pub, und er will nur Musik hören, wenn er Lust darauf hat. Wenn er das meiner Mama sagte, meinte sie immer: «Anscheinend hast du oft Lust darauf, denn es läuft ständig eine Kassette», und er zwinkerte und sagte: «Das liegt daran, dass ich so einen guten Geschmack habe und weiß, was die Gäste hören wollen.»

Ich muss einen schlechten Geschmack haben, denn die meisten Kassetten von meinem Papa gefallen mir nicht.



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