Tiefe Schluchten by Arnaldur Indriðason

Tiefe Schluchten by Arnaldur Indriðason

Autor:Arnaldur Indriðason [Indriðason, Arnaldur]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Lübbe
veröffentlicht: 2021-07-26T08:02:58+00:00


Einunddreißig

Konráð kannte keine Hebammen, aber seine Frau Erna hatte als Ärztin im Krankenhaus gearbeitet und kannte jede Menge medizinisches Fachpersonal. Konráð hatte im Laufe der Jahre viele von ihnen kennengelernt. Eine von ihnen war Svanhildur, die manchmal Obduktionen vorgenommen und mit Konráð zusammengearbeitet hatte, als er noch bei der Kriminalpolizei gewesen war. Im Laufe der Zeit hatten sie sich angefreundet. Und mehr als das. Nach dem Tod von Erna hatte Svanhildur sich gelegentlich bei ihm gemeldet, um zu hören, wie es ihm geht, doch er war nie richtig darauf eingegangen und tat am liebsten so, als wäre zwischen ihnen nie etwas passiert. Wenn er hingegen aus beruflichen Gründen Kontakt mit ihr aufnahm, weil er Informationen brauchte, war sie immer hilfsbereit gewesen, ohne dafür etwas von ihm zu erwarten. Sie hatte vielleicht höchstens einmal angeregt, auch über das zu reden, was wirklich wichtig war, oder gesagt, dass er keinen Grund habe, ihr aus dem Weg zu gehen.

Nach langem Nachdenken und einigen ermutigenden Gläsern Wein rief er Svanhildur noch am selben Abend an, als er bei Pálmi gewesen war. Er kam typischerweise sofort zur Sache und fragte, ob sie ihm helfen könne, eine Hebamme zu finden, die um 1970 für ihre ablehnende Haltung gegenüber Abtreibungen bekannt gewesen war …

»Schwangerschaftsabbruch«, sagte Svanhildur.

»Was?«

»So nennen wir das heute.«

Svanhildurs Interesse an der Sache war sofort geweckt. Wenn sie sich darüber wunderte, dass er so spätabends noch anrief, ließ sie es sich nicht anmerken. Sie sagte auch nichts dazu, dass er etwas undeutlich sprach. Stattdessen fragte sie, um was genau es gehe und was das mit Hebammen zu tun hätte. Also erzählte er ihr von seiner Bekanntschaft mit Valborg, der er seine Hilfe verweigert hatte, was er nun bereute, zumal er ihr wahrscheinlich hätte helfen können und ihr eigentlich völlig grundlos die kalte Schulter gezeigt hatte. Und nachdem er erfahren hatte, dass sie in ihrer Wohnung ermordet worden war, fragte er sich sogar, ob er das vielleicht hätte verhindern können, wenn er nicht so abweisend gewesen wäre.

An diesem für Konráðs Verhältnisse ungewöhnlich langen Monolog merkte Svanhildur, dass es ihm nicht gut ging. Sie fragte sich, ob er seinen Weinkonsum noch im Griff hatte.

»Valborg. Die Frau in dem Wohnblock?«, fragte sie.

»Ich hätte ihr durchaus helfen können. Ich verstehe einfach nicht, warum ich es nicht gemacht habe.«

»Aber damit hättest du doch nicht vermeiden können, was passiert ist«, sagte Svanhildur. »Du bist kein Polizist mehr. Du bist Rentner.«

»Was, wenn es einen Zusammenhang gibt?«

»Wie denn das?«

»Sie hat sich nach dem Kind erkundigt, bevor sie zu mir gekommen ist. Vielleicht hat sie dadurch das alles erst in Gang gesetzt.«

»Deutet etwas darauf hin?«

»Nein.«

»Und sie war Hebamme? Oder warum fragst du nach Hebammen?«

»Valborg war schwanger und wollte das Kind nicht. Sie ist an eine Hebamme geraten, die das Kind auf die Welt gebracht und anderen Leuten gegeben hat. Sie hat es sozusagen verschwinden lassen. Nun wollte Valborg, dass ich dieses Kind finde. Das ist fast fünfzig Jahre her, und sie hatte keine Ahnung, was aus dem Kind geworden ist. Sie hat es nie gesehen. Es kann ein Junge sein aber ebenso gut auch ein Mädchen.



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