Ticket für die Ewigkeit by Graf Roger

Ticket für die Ewigkeit by Graf Roger

Autor:Graf, Roger [Graf, Roger]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Ich überlegte mir, ob ich sie einholen und ansprechen sollte, verwarf den Gedanken aber wieder, weil ich sah, daß sie sehr genau wußte, wohin sie ging. Offenbar kannte sie sich in der Gegend aus. Plötzlich blieb sie stehen und schaute sich um. Ich senkte den Kopf, sah aber, daß sie nicht mich, sondern eine Frau auf der anderen Straßenseite beobachtete. Die Frau führte einen Hund spazieren. Die Zunge des Hundes hing wie ein nasser Lappen aus dem Mund und der Köter hechelte. Die Turnschuhe verschwanden durch einen mit seitlich versetzten Gitterstäben geschützten Eingang. Ich wartete einen Moment und stieß dann das Rad bis zu dem Tor, durch das die junge Frau verschwunden war. Es war der Seiteneingang zu einem Friedhof. Ich stellte das Rad ab und ging auf das Friedhofsgelände. Sie ging einige Meter vor mir, zielstrebig. Ich blieb stehen. Sie schaute die Markierungen an, die seitlich am Weg jeweils angaben, welche Grabreihen sich dahinter verbargen. Ich setzte mich auf eine Parkbank und schaute ihr hinterher. Außer uns hielt sich nur noch ein älterer Mann auf dem Friedhof auf. Dieser ging langsam an mir vorbei und grüßte mit einem stummen Nicken. Ich nickte zurück. Eine Schweißperle rann unter meinem Hemd seitlich den Bauch runter. Es war still. Selbst die Vögel verhielten sich ruhiger als an anderen Orten. In die Stille mischte sich das Knirschen von Kies. Dann war es ganz still. Die junge Frau hatte gefunden, wonach sie suchte. Sie verschwand links neben dem Weg, vier Markierungen von mir entfernt. Ich stand auf, schlenderte drei Markierungen weiter und bog dann ebenfalls links ab. Vor mir waren zehn Reihen Gräber, alle säuberlich angelegt, zentimetergenaue Abstände. Ordnung mußte sein, auch bei den Toten. Ich schaute über die Hecke und sah ihren Kopf. Sie stand vor einem Grab. Ihr Kopf bewegte sich leicht hin und her. Sie blieb etwa zwei Minuten so stehen, dann drehte sie sich weg und ging. Ich wartete einen Moment, ehe ich die Grabreihen verließ und eine Markierung weiterging. Die junge Frau schlenderte langsam weiter, sie schien sich über etwas Gedanken zu machen. Das Grab, vor dem sie gestanden war, hatte einen schlichten grauen Grabstein und war mit frischen Grabpflanzen übersät. Der Name auf dem Grabstein: Helen Schneider. Sie war ziemlich genau vor einem halben Jahr gestorben.



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