Thriller by D. J. McIntosh
Autor:D. J. McIntosh
Die sprache: de
Format: mobi
Herausgeber: Lübbe digital
veröffentlicht: 2011-02-25T23:00:00+00:00
Zwanzig
Die vorübergehende Dependance des Museum of Modern Art befand sich in den Räumen der ehemaligen Swingline Büroklammernfabrik. Die Bürger von Queens hatten gejubelt, als sie erfuhren, dass eine der bedeutendsten kulturellen Einrichtungen der Stadt den East River überquerte, um sich in ihrem Stadtteil niederzulassen. Zum Dank hatten sie dem Gebäude einen leuchtend blauen Anstrich spendiert.
Ari stand in der Nähe des vorderen Eingangs und zog nervös an seiner Gitane. Laurel, die ein wenig erschöpft und geradezu zerbrechlich aussah, wartete neben Tomas. Zu wissen, dass er auf sie aufpasste, nahm einerseits eine Last von meinen Schultern, aber dass er es auf eine derart besitzergreifende Art tat, ging mir andererseits ziemlich auf die Nerven.
Claire Talbot erwartete uns schon, nachdem wir uns in die Besucherliste eingetragen hatten. Sie begrüßte mich mit einem theatralischen doppelten Kuss auf die Wangen und Tomas und Ari mit einem förmlichen Händedruck. Laurel musste sich mit einem frostigen Lächeln begnügen. Sie und der Wärter geleiteten uns durch einen Saal, der zur Dauerausstellung impressionistischer Gemälde gehörte. Dabei kamen wir auch an der Sternennacht vorbei. Das echte Gemälde ließ sämtliche Darstellungen des gleichen Motivs zur Bedeutungslosigkeit verblassen. Van Goghs typischer Stil erreichte mit diesem Bild seine höchste Perfektion: kraftvolle Pinselstriche, verschlungene Spiralen, leuchtende Ultramarin- und Blauschattierungen. Über allem der Mond in einem strahlenden Gelb, daneben am selben Himmel die Sonne, eher blass und wässrig verschwommen. Dazu die Zypresse, die dunkel in den Himmel ragte wie ein antiker Obelisk.
»Vor der Sternennacht drängen sich immer die Besucher«, sagte Claire. »Die Leute können von seinen Werken offenbar nicht genug kriegen. Überleg mal, wie viele Poster und Kunstdrucke davon auf unserem Globus existieren. Wenn ich alleine an die Sonnenblumen denke!« Sie lachte verhalten. »Diese Periode ist nicht unbedingt meine Spezialität, wie du weißt, mein Lieber.« Sie strich mir dabei mit den Fingern über den Jackenärmel, was, wie ich feststellen konnte, Laurel sehr bewusst zur Kenntnis nahm.
Claire war optisch eine einzige Verführung – alabasterweiße Haut, eine üppige Mähne kupferfarbenen Haars, das fast bis auf ihre Schultern reichte, braune Augen, lange, schmale Finger und ein gertenschlanker Körper. Sie liebte eigenwillig gemusterte Kleidung und auffälligen, handgefertigten Schmuck. Ich erinnere mich an ein Kleid, das sie einmal trug, dessen Muster einem Mondrian-Gemälde nachempfunden war. Nachdem sie sich von Phillip getrennt hatte, kreuzten unsere Wege sich häufig bei Empfängen und Präsentationen, wo sie nicht müde wurde, mich mit immer neuen Komplimenten zu überschütten. Einmal schnappte ich tatsächlich nach dem Köder, bis ich erkennen musste, dass sie mir eigentlich nur einen meiner besten Kunden abspenstig machen wollte.
Leuten gegenüber, die sie für gleichrangig erachtete, verhielt Claire sich wie ein Panther. Verführerisch und samtweich. Und sie war nicht nachtragend. »Man weiß nie«, sagte sie mir einmal, »wann die Leute, die man kennt, einem nützen können. Es hat keinen Sinn, sie sich zu Feinden zu machen.« Diese berechnende Einstellung traf jedoch nicht auf ihre Mitarbeiter zu. Die Wutausbrüche und divenhaften Gardinenpredigten, die sie sich gelegentlich anhören mussten, waren legendär. Desgleichen ihre Launen. In der einen Sekunde hitzig und aufbrausend und schon in der nächsten eiskalt und abweisend, ganz wie es ihr jeweils passte.
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