Teures Schweigen. Kriminalroman by Daniela Larcher

Autor:Daniela Larcher [Larcher, Daniela]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104026633
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2014-10-17T04:00:00+00:00

28

Als Morell am nächsten Morgen beim Frühstück erschien, hatte er furchtbar miese Laune. Dank des Schnarchbuckels war es tatsächlich eine sehr lange und unbequeme Nacht gewesen, und er war nicht nur müde, sondern auch völlig verspannt – an Stellen, von denen er bisher nicht mal geahnt hatte, dass sie existierten.

Das nächtliche Elend hatte ein jähes Ende gefunden, als gegen sieben Uhr ein völlig aufgekratzter Wilfried Uhl angerufen und ihn über den Stand der Ermittlungen ausgequetscht hatte. Morell, noch völlig neben sich stehend, hatte ihm alles erzählt und anschließend seine ganze Kraft und Überredungskunst einsetzen müssen, um seinen alten Freund wieder in die Schranken zu weisen – wäre es nach Crazy Willie gegangen, hätten sie sich sofort auf einen Kreuzzug begeben, um den verlorenen Teppich wiederzuerobern.

Doch nicht nur körperliche Beschwerden und der Anruf von Uhl hatten ihm den Schlaf geraubt, auch seine Psyche war nicht ganz unschuldig an seinem Zustand. Er machte sich noch immer große Sorgen wegen des gestrigen Einbruchs.

Am besten er stärkte sich erst mal mit einem reichhaltigen Frühstück und sah dann weiter. Heute würde er keine bösen Blicke und gemeinen Kommentare einfahren – immerhin waren die Damen ja in ein anderes Zimmer umgesiedelt worden, und überhaupt hatte er mangels Schlaf ganz sicher ohnehin nicht geschnarcht.

Was das Essen betraf, kannte er ja jetzt die Küche und wusste, dass sie sauber und hygienisch war und professionell geführt wurde. Mal sehen, was Rossi an Leckereien gezaubert hatte.

Morell nahm sich einen Teller und ging zum Büfett. Die erste Überraschung erlebte er beim Brot, als er feststellen musste, dass kleine Speckstückchen hineingebacken worden waren. Die Croissants waren mit Schinken gefüllt, und dort wo normalerweise Marmelade und Honig zu finden waren, standen heute Streichwurst und gebratener Speck. Es folgten zwei Platten mit Aufschnitt, geräucherter Gänsebrust, Wurstsalat, Sülze, Fleischbällchen und Rostbratwürstchen. Dazu gab es alle möglichen Saucen und Dips.

Er ging das Büfett zweimal auf und wieder ab, konnte aber außer der Garnitur, die aus Petersilie und ein paar Salatblättern bestand, nichts Vegetarisches entdecken. Das Frühstück war eine reine Fleischorgie.

Genervt holte er sich eine Tasse Tee und ein Glas mit Orangensaft. Die waren ja hoffentlich fleischlos.

Als er sich hinsetzte, ging die Tür zur Küche auf und Rossi grinste ihn breit an. Das war also die Rache des Kochs für die Verdächtigung gewesen. »Na warte«, murmelte Morell. Es stand 1:0 für Rossi, aber er würde schon noch ausgleichen.

Er nahm einen Schluck Tee und schloss die Augen. Schlimmer als dieser Tag begonnen hatte, konnte es kaum weitergehen, dachte er, sprach den Gedanken aber nicht laut aus – schon zu oft war er eines Besseren belehrt worden.

Nach dem flüssigen Frühstück machte Morell einen Abstecher ins Café Korb, einen traditionsreichen Kaffeehaus in der Wiener Innenstadt, wo er eine Kleinigkeit aß und sich anschließend bei einem nahen Herrenausstatter einen neuen Sommeranzug aus blauem Leinen kaufte. Topmodern und sehr elegant – wie ihm der Verkäufer versicherte. Das Geld reute ihn zwar, doch er hatte keine Lust, auf der von Horak’schen Gartenparty wieder dumm angesehen oder gar mit einem Kellner verwechselt zu werden.

Er

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