Teufelskoller by Peter Wehle

Teufelskoller by Peter Wehle

Autor:Peter Wehle [Wehle, Peter]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Haymon
veröffentlicht: 2015-04-23T16:00:00+00:00


Mittwoch, 16. Juli 2008, Vormittag

»Hoch soll er leben! Hoch soll er leben! Dreimal hoch!« – aus Ermangelung eines geeigneteren Liedes sangen sie eben dieses Geburtstagsständchen. Der »Chor« war gut besetzt. Tante Agathe, Wotan, Maroni, Rupert Wiesner, Maria Jung wie auch Pfarrer Wobien waren eigentlich gekommen, um den Gefangenen zu besuchen und aufzumuntern … was aber nicht nötig war, da just im Moment ihres Eintreffens ein strahlender Adalbert Furmaier überraschend das Gericht verlassen durfte. Wotan überlegte kurz, ob sie nicht lieber den »Gefangenenchor« aus der Oper »Nabucco« anstimmen sollten, beschloss aber dann, auch aus Achtung vor dem Genie Verdis, es lieber beim »Hoch soll er leben« zu belassen.

So cool sich Furmaier während des gestrigen Haftbesuchs gegeben hatte, so gefühlsbetont zeigte er sich jetzt. Eine Sekunde lang starrten alle wie auf Kommando aus den Fenstern, als Furmaier seine Tränen mit einer verstohlenen Taschentuchbewegung wegwischte.

»Mein Gott, so schön kann Freiheit klingen! Und so gut kann sie riechen!«

Dank eines tiefen Atemzuges gelang es Furmaier, den zweiten Tränenschub von den Wangen fernzuhalten.

»Schon erstaunlich, wie rasch so eine Zelle auch geruchsmäßig auf einen abfärbt. Dabei habe ich gestern Abend und heute in der Früh duschen dürfen, und trotzdem« – Furmaier vollführte das Kunststück, beinahe zeitgleich seinen Pulloverärmel hinaufzuschieben, daran zu riechen und sein Gesicht angewidert zu verziehen – »und trotzdem stinke ich schon. Diese seltsame Mischung aus Kernseife und Chlor – ja, jetzt rieche ich fast wie die Kollerin … sie ruhe in Frieden.«

»Bertl, es ist wunderschön, dass du endlich wieder …«

»Agathe, es war nur eine Nacht!«

»Aber trotzdem, es ist so hinreißend, dass du nach bangen Stunden …« – dem grausamen Schauspiel, in dessen Verlauf sich die ansonsten so lebensgestählte Apothekerin Agathe Gattermüller durch mädchenhaftes Den-Geliebten-Anschmachten lächerlich zu machen drohte, bereitete Rupert Wiesner mit natürlicher Diplomatie ein Ende. … und mit einem krachenden Freundschaftsschlag auf Furmaiers Schulter, der ihn Tante Agathes übermäßiger Aufmerksamkeit entzog.

»Bertl! Schön, dass d’ wieder a freier Mann bist! Und schön, dass d’ wieder net nur die andern die Arbeit machen lasst!«

»Weil du sooo viel Arbeit hast übernehmen müssen! Rupert, wenn i Zeit hab, werd i di bedauern, aber die hab i jetzt scho gar net, weil …« – er blickte mit schelmisch-blitzenden Augen in die Feierrunde – »weil jetzt muaß i jo die ganze Arbeit, die während der ewig langen Haft liegen ’blieben is, erst wieder erledigen.«

Unter schallendem Gelächter hatten alle ein Spalier gebildet, das Furmaier nun abwechselnd rechts und links Hände schüttelnd wie ein römischer Triumphator durchschritt. Als er gerade in die wohlduftende Freiheit hinaustreten wollte, öffnete sich die Tür und Magister Baldur kam herein, sodass er beinahe mit seinem gestrigen Mordverdächtigen zusammengestoßen wäre. Beide bremsten scharf. Neugier mit einem Schuss Angst – diese Mischung flackerte in den Blicken aller auf, als sie das mühsam unterdrückte Entsetzen in Baldurs Augen sahen.

»Ja, Herr Furmaier, ich gratuliere! Es hat sich ja sehr rasch gezeigt, dass Sie nicht …«

»Warum sagt er nicht gleich, dass ihm die Salzburger Staranwältin gestern noch die Hölle heißgemacht hat?«, raunte Tante Agathe Wotan in einem gehässigen Theaterflüsterton zu, sodass es alle Anwesenden deutlich verstehen konnten.



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