Technophoria by Niklas Maak

Autor:Niklas Maak [Maak, Niklas]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-446-26834-0
Herausgeber: Carl Hanser Verlag München
veröffentlicht: 2020-01-27T22:00:00+00:00

Turek zeigte der Architektin der Bauabteilung die Entwürfe, und sie zeichnete in die große, leere, ungenutzte Turbinenhalle, die auf dem Gelände der Smart City stand, eine Landschaft mit Palmen und kleinen Urwäldern hinein, in denen die Van-Herpen-Zellen schwebten, in Bäumen hingen oder hinter Büschen lagen, tragbare Habitate, die die schlafenden Körper umhüllten und die Körperwärme zur Erzeugung von Strom nutzte. Turek bearbeitete Driessen, dass man genau dies als Experimentalhaus bauen solle, eine Halle voller intelligenter Einzellerhabitate, das, sagte Turek, wäre wirklich die Zukunft, gar keine Häuser mehr, sondern eine gegen Wetter geschützte Landschaft voller Einzeller in einem Gebäude, das wäre wirklich mal ein Experiment, über das alle reden würden. Driessen hielt den Plan allerdings für großen Unsinn.

*

Als Illenberg Turek am Montag in einem Café traf, sah er blass aus und kleiner als sonst, seine Haare, die sonst in einer euphorischen Turbulenz von seinem Kopf abstanden, klebten glatt und kleinlaut an seinem Schädel. Er trug ein gelblich schimmerndes Hemd zu einem schwarzen Anzug und sah aus, als sollte er eine Biene darstellen. Er knallte eine Zeitung auf den Tisch.

Ist noch nicht online, musste zu einem Kiosk gehen und es mir da besorgen, sagte er. Lies.

Der Artikel handelte davon, dass bei den ersten Bewohnern der Smart City die gesamte private Kommunikation mitgelesen worden war, und zwar nicht von Algorithmen, sondern von Mitarbeitern der Add-on-Anbieter, deren Services die City-User kostenlos nutzen durften. Eines der Programme scannte alle Online-Einkäufe, suchte dann nach günstigeren Angeboten für das Produkt und schrieb automatisch den Verkäufer an, um die Preisdifferenz zurückzuverlangen. Dagegen konnte niemand etwas haben, aber um die Algorithmen zu verbessern, hatten Mitarbeiter der Firma Retrace Path die Bestellungen und Mails der User gelesen, um bessere Add-ons zu entwickeln.

Und dann hatte ein Mitarbeiter, der von Retrace Path gefeuert worden war, angefangen, die Absender und Empfänger der E-Mails mit privaten Informationen zu erpressen und sich als Schweigegeld Bitcoins überweisen zu lassen.

Eigentlich hätten private Mails der Kunden von einen Algorithmus aussortiert werden müssen, schließlich ging es vor allem darum, den Kunden einen Schutz vor überhöhten Preisen anzubieten, und auch darum (wo man schon mal dabei war), welche Marketing-E-Mails wie oft gelesen werden; bevor die Mails in ein Analysesystem gespeist wurden, in das auch Menschen Einblick haben, musste aber ein Wortscanner alle Mails herausfischen, in denen Worte wie Liebe, Großmutter oder vermissen vorkamen, aber leider waren diesem Scanner ein paar Millionen Mails durchgerutscht.

Es wird schwieriger, Geheimnisse zu haben, sagte Turek trocken.

Eric Schmidt hat gesagt, wenn einer nicht wolle, dass etwas rauskomme, solle er es einfach nicht machen, das fasst die Situation ganz gut zusammen, ne?

Nie mehr allein. Die Zukunft gehört den Exhibitionisten, sagte Illenberg und klatschte in die Hände. Man sollte nichts tun, wofür man sich schämen könnte. Da sind natürlich die Schamlosen im Vorteil, sagte er und schlug Turek aufmunternd ins Kreuz.

Illenberg glaubte, dass es bald einen Bürgerkrieg geben würde, eine Radikalisierung, hier die neuen Privatstädte, mit privaten Sicherheitsdiensten, privatem Gesundheitsservice und privaten Schulen, dort der Staat, der nur noch für die Sicherung der Außengrenzen und den Bau der

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