Tausend und eine Insel by Arnold Höllriegel

Tausend und eine Insel by Arnold Höllriegel

Autor:Arnold Höllriegel [Höllriegel, Arnold]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-04-14T00:00:00+00:00


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Kein Wald auf Erden gleicht dem Wald von Neuseeland, diesem „Busch“, wie sie ihn nennen. Wir fahren heute nur am Rand dieses ungeheueren Busches entlang, dort wo er an Weideland grenzt und an die ebene Küste; gerade, dass der lässig gerodete Weg hier oder dort den letzten vorspringenden Sporn der niedersten Vorberge schneidet, ein wenig ansteigt, um gleich wieder tiefer zu führen. Und doch, dieser äusserste Rand ist schon eine Mauer von fast undurchdringlichem Dickicht. Manchmal öffnet sich überraschend eine Vedute; wir kreisen um einen Waldsee, der unter uns schimmert, oder wir sehen in den Riss eines Tales hinein, aufwärts, wo die weissen Berge leuchten. Hier oder dort ist ein Stückchen des Waldes gerodet, brutal zu Boden gebrannt oder sachlich niedergehauen, bei einer einsamen Sägemühle oder ein paar mit Wellblech gedeckten Hütten. Sonst blickst du links und rechts in die unergründliche Dichtigkeit eines urwilden Buschwalds, der furchtbar sein kann, grau und braun und ganz finster, oder plötzlich ganz hell von grünem Laub und grellfarbigen Blüten. Hier kriechen Schlinggewächse aus blinkenden Sümpfen empor, dort siehst du den Boden meilenweit nicht, weil die Farne, tausendgestaltig, ihn dir verbergen. Dieser „Busch“ ist hier ein wirklicher Hochwald von Weissfichten, die wunderbar gerade wachsen, und von Mirobäumen, deren Laub wie das von Myrten glänzt, und von den Rimubäumen Neuseelands, Rotfichten, die den Tannen unserer Heimat ähneln, nur dass kein heimischer Baum Neuseelands wirklich wie irgendein Baum Europas aussieht. Der Rimu ist wunderbar; seine weiten Arme sind ganz beladen mit Moosen und Flechten und Farnen und langen Quasten; der Stamm trägt förmlich einen langhaarigen grünen Pelz, gebildet aus den grünen Bändern der Schmarotzerpflanze Kiekie, aus der die Maori ihre feinsten Kleiderstoffe machen; es ist, als ob Gras auf den Bäumen wüchse. Zwischen diesen hohen Bäumen, den starken und feierlichen Pfeilern, drängt sich das graziösere Linienwerk palmenähnlicher Farnbäume und jener zwei- und dreiköpfigen „Kohlbäume“, die hohe Palmlilien sind, und der Lanzenbäume, deren junge Triebe wie schlanke Speere aufschiessen. Hart am Weg, wo die Axt den Urwald zerschnitten hat, ist jüngeres Gezücht aufgewachsen, blühende Fuchsien, die Fuchsien unserer Blumentöpfe, aber nicht Büsche oder Sträucher, sondern wirkliche hohe Bäume, ganz behangen mit den scharlachroten kleinen Blüten, und ein anderer rotblühender Baum, den sie den „Currant-Tree“ nennen, Johannisbeerbaum, und der rosige und grüne Pfefferbaum und die helle Silberfichte; oder es wächst am Sumpfrand ein Dschungel von schmalen Riesenblättern, gänzlich den Aloen der Riviera ähnlich, mit einem mannshohen Lilienstengel in der Mitte des Kreises, den die Blätter bilden. Das ist der neuseeländische Flachs, Phormium Tenax, eine echte Lilie, die unschätzbare Pflanze, aus der die Maori ihre schönen Mäntel machen und die Weissen alles, was man aus Flachs oder Hanf nur fertigen könnte.

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