Tangenten by Bear Greg

Tangenten by Bear Greg

Autor:Bear, Greg [Greg, Bear,]
Format: epub
veröffentlicht: 2010-09-14T11:24:32.796000+00:00


TOTENFUHRE

* * *

Auf der Straße zur Hölle gibt es keine Anhalter.

Ich bemerkte diesen Kerl bereits aus fünf Kilometern Entfernung. Er stand dort, wo die Straße gerade und eben ist und etwas durchquert, was wie eine Wüste aussieht, außer daß es diese kleinen leerstehenden Orte und Motels und Hütten gab. Ich war schon seit sechs Stunden unterwegs, und die Leute in den Viehwagen hinter mir waren die letzten drei davon – aus Resignation, nehme ich an – ruhig gewesen, so konnten sich meine Nerven etwas beruhigen. Ich beschloß, nachzusehen, was mit dem Mann los war. Vielleicht war er einer der Angestellten. Das wäre interessant, dachte ich mir.

Um die Wahrheit zu sagen: Seit sich das Wehklagen gelegt hatte, war mir recht langweilig geworden.

Der Kerl stand an der rechten Straßenseite und hielt den Daumen hoch. Ich schaltete die Gänge runter und die Druckluftbremsen zischten und quietschten, als ich sie mit meinem Fuß bediente.

Der Halbautomatik wurde langsamer, und aus dem großen Dieselmotor drang dieser tief von innen kommende Dinosaurieraufstoß, der einen erschaudern ließ. Als alles zum Stillstand gekommen war, lehnte ich mich quer durch die Kabine und öffnete die Tür.

»Wohin willst du?« fragte ich.

Er lachte und schüttelte den Kopf. Dann spuckte er über die Schulter. »Ich weiß nicht«, sagte er. »Hölle vielleicht.« Er war schmächtig, hatte langes, fettiges Haar, trug Bluejeans und eine Weste. Sein Strohhut war dreckig und voller Löcher, aber die Federn im Band waren hell und sahen neu aus; Fasan, wenn ich es beurteilen sollte. Eine Goldkette hing von der Weste in seine Tasche hinab. Er trug alte Boots mit aufgerichteten Zehen und Sohlen, die dünner waren als mein runderneuerter Reservereifen. Er sah ganz so aus wie ich, als ich per Anhalter aus Fresno fort war, arbeitslos und pleite, auf der Suche nach Arbeit.

»Kann ich dich dahin mitnehmen?« fragte ich.

»Klar.« Er kletterte herein, zog die Tür hinter sich zu, nahm ein Tuch und wischte sich die Stirn. Dann schneuzte er sich seine lange Nase und starrte mich mit blutunterlaufenen, schlaflosen Augen an. »Was transportierst du denn?« fragte er.

»Seelen«, sagte ich. »Eine ganze Scheißladung davon.«

»Welcher Art?« Er war jung, nicht älter als fünfundzwanzig. Er wollte gleichgültig klingen, aber ich konnte seine Nervosität heraushören.

»Gewöhnliche«, sagte ich. »Menschlich. Einige Hare Krishnas diesmal. Ich schau gar nicht mehr so genau hin.«

Ich brachte den Truck wieder auf den Weg und fragte mich, ob der Motor wirklich in so schlechter Verfassung war, wie er sich anhörte. Als unsere Geschwindigkeit hundertdreißig, hundertvierzig erreicht hatte – keine Smokies auf dieser Straße – fragte er: »Wie lange bist du schon auf Beutezug?«

»Zwei Jahre.«

»Gute Bezahlung?«

»Es reicht.«

»Benefize?«

»Union, wie jeder andere auch.«

»Ich habe davon gehört«, sagte er. »Auf dem kleinen Schuttabladeplatz drei Kilometer hinter uns.«

»Leben da Leute?« fragte ich. Ich hatte nicht gedacht, daß überhaupt irgend etwas an der Straße leben würde.

»Yeah. Richtig heruntergekommenes Volk. Sie sagen, LKW-Fahrer-Bosse werden in Limousinen verfrachtet, wenn sie gestorben sind.«

»Ich denke, eigentlich ist es egal, wie man dahin kommt. Der Trip ist kurz, und ewig eine lange Zeit.«

»Dahinzukommen ist der ganze Spaß?« fragte er und versuchte ein Grinsen.



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