Tana French by Grabesgrun

Tana French by Grabesgrun

Autor:Grabesgrun [Grabesgrun]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-06-11T16:12:44+00:00


Ich weiß nicht mehr, was ich den Rest des Tages getan habe, vermutlich an meinem Schreibtisch gesessen und mit Papier gespielt. Sam machte sich wieder auf zu einem weiteren mysteriösen Ziel, und auch Cassie verließ das Büro, um einem nicht besonders vielversprechenden Hinweis nachzugehen. Sie nahm O’Gorman mit und besetzte die Hotline mit dem stillen Sweeney, wofür ich zutiefst dankbar war. Nach der Hektik in den letzten Wochen wirkte der fast leere SOKO-Raum irgendwie unheimlich und verlassen, die Schreibtische der Fahnder übersät mit liegen gebliebenen Unterlagen und Kaffeetassen, die sie vergessen hatten, zurück in die Kantine zu bringen.

Ich schickte Cassie eine SMS, dass ich mich nicht gut genug fühlen würde, um abends zum Essen zu kommen. Das rücksichtsvolle Getue der beiden hätte ich nicht ausgehalten. Ich machte früher Feierabend, um vor Heather zu Hause zu sein – montagsabends hat sie ihren Pilates-Kurs –, legte ihr einen Zettel hin, ich hätte Migräne, und schloss mich in meinem Zimmer ein. Heather pflegt ihre Gesundheit mit der Art von zielstrebiger, akribischer Hingabe, mit der sich manche Frauen ihren Blumenbeeten oder Porzellansammlungen widmen, was jedoch den Vorteil hat, dass sie die Wehwehchen anderer genauso ehrfürchtig respektiert wie ihre eigenen: Sie würde mich den ganzen Abend in Ruhe lassen und den Fernseher leiser stellen.

Ich wurde das Gefühl nicht los, das mir im Gerichtssaal auch noch die letzte Chance geraubt hatte, dass mich nämlich MacSharrys Foto von Philomena Kavanagh an etwas erinnerte, ohne dass ich hätte sagen können, woran. Die Erkenntnis kam mir irgendwann mitten in der Nacht, als ich mal wieder in einen unruhigen Dämmerschlaf gefallen war. Sie traf mich mit solcher Wucht, dass ich schlagartig hellwach war und kerzengerade im Bett auffuhr, mit hämmerndem Herzen. Ich tastete nach dem Schalter der Nachttischlampe, starrte dann die Wand an, während kleine, milchige Schnörkel vor meinen Augen herumwirbelten.

Noch ehe wir in der Nähe der Lichtung waren, spürten wir, irgendetwas war anders, irgendetwas stimmte nicht. Die Geräusche waren verworren und abgehackt, überlappten sich zu sehr, Stöhnen und Keuchen und Kreischen, alles erstickte zu kurzen, wilden Entladungen, die bedrohlicher waren als Gebrüll. »Runter«, zischte Peter, und wir warfen uns flach auf die Erde. Wurzeln und dürre Zweige verhakten sich an unseren Sachen, und mir kochten die Füße in den Turnschuhen. Ein heißer Tag, heiß und still, der Himmel strahlend blau zwischen den Ästen. Wir robbten uns in Zeitlupe durchs Unterholz: Sand in meinem Mund, schräge Sonnenstrahlen, der störende, hartnäckige Tanz einer Fliege laut wie eine Kettensäge an meinem Ohr. Bienen an den wilden Brombeeren einige Schritte entfernt, und Schweißperlen auf meinem Rücken. Peters Ellbogen, der sich in der Ecke meines Blickfeldes vorwärtsschob, geräuschlos wie eine Katze; Jamies rasches Blinzeln hinter einem fedrigen Büschel Gras.

Auf der Lichtung waren zu viele Leute. Megadeth drückte Sandra die Arme nach unten auf die Erde, Sonnenbrille hielt sie an den Beinen fest, und Anthrax lag auf ihr drauf. Ihr Rock war bis zur Taille hochgeschoben, und ihre Strumpfhose hatte riesige Laufmaschen. Ihr Mund hinter Anthrax’ auf und ab pumpender Schulter war eine starre, weite, schwarze Öffnung, mit Strähnen von rotgoldenem Haar überzogen.



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