TITLE by Fjodr Michailowitsch Dostojewski

TITLE by Fjodr Michailowitsch Dostojewski

Autor:Fjodr Michailowitsch Dostojewski
Format: epub
Tags: autobio
Herausgeber: R. Piper & Co. Verlag


Zweites Kapitel: Im Waggon.

»Überlegung hat der Franzose nicht, ja, ihr Besitz würde ihm sogar als das größte persönliche Unglück erscheinen.« Diesen Satz hat noch im vorigen Jahrhundert VonwisinDenis I. Vonwisin (1745-92), Zeitgenosse Katharinas II., Verfasser der satirischen Lustspiele »Der Brigadier« und »Das Muttersöhnchen«, die epochemachend wirkten, da sie nach den langweiligen Oden Lomonossoffs und Dershawins und den billigen Nachahmungen europäischer Literatur die ersten selbständigen Werke in russischer Sprache waren, die der russischen Wirklichkeit ihr Spiegelbild zeigten. Mit ihnen beginnt die russische Selbstkritik, die sogen. »Anklageliteratur«, die später in Gribojedoffs »Kummer durch Verstand«, Tschaadajeffs Briefen, Gogols Komödien und »Toten Seelen« ihre Fortsetzung fand, Vonwisins »Briefe aus Frankreich«, in denen neben manchen Lästerungen zum ersten Mal Kritik an den Lehrern geübt wird, laufen im wesentlichen auf den Satz hinaus: »nous commençons et ils finissent«. E. K. R. geschrieben und, mein Gott, mit welch einer Lust müssen ihm diese Worte aus der Feder geglitten sein! Ich könnte wetten, daß es in seinem Herzen, als er diesen Satz verfaßte, nur so kitzelte vor Vergnügen. Und wer weiß, vielleicht haben wir alle nach ihm, drei-vier Generationen hintereinander, nicht ohne einen gewissen Genuß diesen Satz gelesen. Haben doch alle Phrasen dieser Art, die von uns aus die Ausländer ähnlich abtun, selbst heute noch etwas unwiderstehlich Angenehmes für uns Russen. Doch selbstverständlich nur im tiefsten Geheimen, ja mitunter sogar vor uns selber insgeheim. Man verspürt dabei so etwas wie Rache für etwas Vergangenes und nicht Gutes. Nun ja, dieses Gefühl ist auch gerade kein gutes, aber ich bin doch irgendwie überzeugt, daß es fast in jedem von uns vorhanden ist. Wir würden natürlich sehr ungehalten sein, wenn man uns dessen verdächtigte, und würden uns dabei durchaus nicht verstellen, indessen glaube ich, daß selbst Bjelinski in diesem Sinne im geheimen ein Slawophile war. Ich weiß noch, wie man damals – vor einigen fünfzehn Jahren, als ich mit Bjelinski bekannt war – ja, mit welch einer schon bis zur Seltsamkeit getriebenen Ehrfurcht dieser ganze damalige Kreis sich vor dem Westen beugte, d. h. insonderheit vor Frankreich. Damals war Frankreich Mode, – im Jahre 1846. Und nicht nur, daß solche Namen vergöttert wurden, wie George Sand, Proudhon und andere, oder daß solche geachtet wurden, wie Louis Blanc, Ledru-Rollin usw. Nein, auch alle möglichen Eintagspilze, die armseligsten Personennämchen, deren Träger sich denn auch sogleich blamierten, als es später auf sie ankam, – selbst die standen in hohem Ansehen. Auch von diesen wurde etwas Großes in dem bevorstehenden Dienst der Menschheit erwartet. Von manchen derselben ward nur mit dem besonderen Geflüster der Ehrfurcht gesprochen ... Und? Dabei habe ich in meinem Leben noch keinen so leidenschaftlich russischen Menschen getroffen, wie es gerade Bjelinski war, obschon vor ihm nur ein TschaadajeffDandy und Geschichtsphilosoph (1794–1866), Westler mit katholischen Sympathien, erhob in seinen »Lettres sur la philosophie de l'histoire«, die an eine Dame gerichtet waren, die wuchtigsten Anklagen gegen Rußland, dem er geistige Schöpfungsmöglichkeiten absprach. Der erste Brief wurde 1836 in russischer Übersetzung veröffentlicht und erregte ungeheures Aufsehen: er wirkte, wie im 18. Jahrhundert Vonwisins



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