Sylter Gier by Ben Kryst Tomasson

Sylter Gier by Ben Kryst Tomasson

Autor:Ben Kryst Tomasson
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau digital
veröffentlicht: 2023-01-31T11:08:42.399000+00:00


19. Sie hatten sich wieder in Marijkes Wohnzimmer versammelt. Jede der Häkeldamen hatte ein Glas mit Küstennebel vor sich stehen, das sie sich, wie sie fanden, mit ihrer aufregenden Verfolgungsjagd verdient hatten. Dass es im Grunde nur ein paar hundert Meter gewesen waren, von der Sparkasse bis zum Aufgang zur Strandpromenade, spielte keine Rolle. Schließlich hatte im dichten Gedränge auf der Strandstraße beständig die Gefahr bestanden, die Hebamme Gregor Wahls aus den Augen zu verlieren, während sie zugleich genügend Abstand halten mussten, damit er nicht merkte, dass er beschattet wurde.

Kari, für die Marijke einen Früchtetee gekocht hatte, stimmte allem, was die Häkelfrauen sagten, zu. Was machte es schon, dass man von der Erzählung sicherlich ein paar Ausschmückungen abziehen musste, weil zum Beispiel das Gedränge auf der Strandstraße zu dieser Jahreszeit so dicht gar nicht gewesen sein konnte? Die vier waren ihr eine große Hilfe gewesen. Sie selbst hätte die Praxis von Baby-Well nicht einfach verlassen können, ohne Verdacht zu erregen.

Die weitaus größere Leistung der Häkelmafia bestand allerdings, wie Kari fand, darin, dass die alten Damen dem Buchmacher Informationen über Gregor Wahls entlockt hatten. Kari kannte sich in dem Geschäft nicht aus – für Wettbetrug gab es in ihrer Abteilung Spezialisten, die mit den Feinheiten dieser Branche vertraut waren, in der es häufig illegale Aktivitäten gab. Aber sie war sich ziemlich sicher, dass ein Buchmacher gewöhnlich nicht mit Auskünften über seine Kundschaft hausieren ging. Die Häkeldamen mussten ihr gesamtes Können aufgeboten haben. Kari bedauerte, dass sie nicht dabei gewesen war.

Witta, die ihren verstauchten Fuß auf dem ausfahrbaren Fußteil von Marijkes gutem Sessel gebettet hatte, streckte den Arm mit dem leeren Glas aus. Alma, wie immer darauf bedacht, alle ihre Freundinnen zufriedenzustellen, sprang sofort auf und schenkte eine neue Runde ein.

Die vier prosteten sich zu und tranken. Anschließend schaute Marijke nachdenklich in ihr leeres Glas und formulierte die Frage, die sich auch Kari schon gestellt hatte.

»Heißt das, dass wir uns getäuscht haben? Bei Baby-Well findet kein Abrechnungsbetrug, sondern nur schnöder Diebstahl statt? Oder gibt es gleich zwei Mitarbeiter, die sich an den Spinden zu schaffen machen?«

»Wenn man weiß, dass es geht …«, meinte Grethe. »Vielleicht hat sogar der eine den anderen erst auf die Idee gebracht?«

»Oder es ist derselbe.« Kari wollte zunächst die Spur zu Gregor Wahls weiterverfolgen. Möglicherweise entwendete er ja nicht nur Geld, sondern auch Krankenkassenkarten? Sie würde Ole Lund bitten, Erkundigungen über den Mann einzuziehen.

Ob sie Jonas ebenfalls informieren sollte? Eventuell gab es ja auch eine Verbindung zum Mord an Dr. Wolf Lindner.

Sie hätte gern gewusst, was aus Jonas’ Ermittlungen im Kreis von Linderns Angehörigen geworden war. Ob er Lund darüber in Kenntnis gesetzt hatte? Vermutlich nicht. Der Mord war die Angelegenheit der Sylter Kriminalpolizei, nicht des LKA.

Sie warf einen Blick auf die Uhr. Es war noch nicht zu spät, um bei Jonas vorbeizuschauen. Dabei könnte sie sich auch gleich nach Finja erkundigen. Das Unbehagen, das sie verspürte, schob sie beiseite. So groß war das Risiko nicht, dass man sie dort beobachtete. Von den Mitarbeitern von Baby-Well wohnte niemand in Keitum, und von den Teilnehmerinnen des Geburtsvorbereitungskurses ebenfalls nicht.



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