Superposition. Roman by Kat Kaufmann

Superposition. Roman by Kat Kaufmann

Autor:Kat Kaufmann [Kaufmann, Kat]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783455813524
Herausgeber: Hoffmann und Campe
veröffentlicht: 2015-08-17T16:00:00+00:00


Die Sonne strahlt direkt in das Zimmer.

Du bist wach. Nicht neben mir Die Gardine über dem Bett fehlt. Samt Stange. Das ist neu. An einer Seite ist die Halterung noch da, auf der anderen sieht es aus, als wäre sie mit Gewalt herausgerissen worden. Du streitest oft mit Astrid in letzter Zeit, sagtest du. Ich frage nicht, ob das die Folgen einer dieser Auseinandersetzungen sind. Der Abdruck deiner Faust in der Wand und die kaputte Schranktür sind solche Erinnerungsstücke.

Ich höre dich unter der Dusche. Mein Kleid liegt in der Ecke, zerknüllt. Ich hänge es auf einen Kleiderbügel zu deinen Hemden. Der Dielenboden knarrt.

»Hello!«, sagst du, ich sehe dich durch die milchige Plastiktür der Duschkabine.

Neben dem Waschbecken liegen Rasierutensilien, die Spiegeloberfläche ist matt vom Dampf, am Nagel daneben hängt deine Kette mit dem Stern. Ich öffne die Kabinentür, steige vorsichtig ein, du gehst zur Seite, schaffst mir Platz in der Enge, sodass ich unter dem Strahl der Dusche stehen kann.

Ich drehe dir meinen Rücken zu, das Wasser rauscht, läuft runter an meinem Körper, über mein Gesicht.

»Heute Nacht hing Jesus ständig in deinem Mund beim Küssen …«

»Ja, habe ich gemerkt. Jesus is our friend. Das schon okay.«

Ein Plastikverschluss öffnet sich, schließt sich. Wie bei einer rituellen Säuberung wäschst du mich, streichst den Schaum über meine Haare, die Schläfen. Deine Hände werden immer gröber. Deine Hände pressen mich gegen die Fliesen, deine Hände krallen sich in meine Haut. Ich bewege mich nicht. Ich kann mich nicht bewegen. Und du kommst hart in mir, als wäre es ein Gewaltakt, hältst mich so fest, dass ich das Gefühl habe, du brichst meine Knochen, ja, halte mich. Weil sich sonst meine Seele aus dem Körper lösen würde. Löst sich immer, wenn wir uns lieben, löst sich und ist endlich frei.

Du lässt mich los. Du küsst mich auf die Stirn und streichst mit der Handfläche über meine Brust, wie über die glatte Oberfläche einer Skulptur. Ich fühle mich schön, wenn du mich berührst. Und du bist verlegen – als wärst du es nicht selbst gewesen, sondern ein Dämon, der sich deinen Körper vorübergehend zu eigen gemacht hat. Ich wische deinen Schweiß, das Wasser von deiner Stirn, drücke meine Brust an deine. Du sorgst dich, dass ich warm genug angezogen bin, und fickst mich wie ein Dämon. Liebesbekundungen.

»Wollen wir raus? Alles, was man innerhalb der Kabine tun konnte, ist getan, nicht?« Mein Mund lächelt, und mein Herz blutet vor sich hin.

»Ja … Willst du was essen?! Ich habe tolle selbst gemachte Marmelade da, Brot auch. Und Hering. Unfassbare Lust auf Hering gerade … Soll ich uns was machen?«

Ich habe Gänsehaut. Du legst ein Frotteehandtuch um meine Schultern, bleibst einen Moment in dieser Umarmung hinter mir stehen, legst deinen Kopf an meinen.

»Wir essen jetzt, ja? Ich mach mal.«

Er geht in die Küche. Ich bleibe stehen, sein Abbild verschwindet aus dem Spiegel. Übrig bleibt meins. Ich nehme Jesus vom meinem Hals, lege mir jetzt seinen Stern um.

Izy Lewin, Blut steht höher als Moral.

Izy Lewin, die Jüdin liebt einen Juden.

Izy Lewin, die Russin liebt einen Russen.



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