Sturmnacht by Sophia Cronberg

Sturmnacht by Sophia Cronberg

Autor:Sophia Cronberg [Cronberg, Sophia]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Jugendroman
Herausgeber: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2014-01-28T23:00:00+00:00


7. Juni 1961

Ich habe es getan, ich habe es tatsächlich getan! Der Wind hat tatsächlich so stark geweht, dass ich manchmal das Gefühl hatte, gar nicht richtig atmen zu können, und meine Haare waren hinterher so verfilzt, dass Beatrice eine Stunde lang zu tun hatte, um sie auszubürsten. Doch das ist mir egal, es war großartig, einfach großartig, und als ich dann auch noch … aber nein, der Reihe nach.

Also: Ich bin morgens ganz zeitig aufgestanden, als alle anderen noch geschlafen haben. Beatrice hat mir dabei geholfen, mich anzukleiden. Sie war ziemlich verdutzt, als meine Wahl auf Hosen fiel, aber sie hat nichts gesagt. Auch wenn sie mein Vorhaben nicht gutgeheißen hat, konnte ich mich auf ihr Schweigen verlassen.

Wer ganz sicher nicht schweigen würde, ist unser Stallbursche Pete. Er hat mehrmals nachgefragt, ob ich wirklich schon zu dieser frühen Zeit ausreiten wolle, und das obendrein ganz allein. Ich finde es eigentlich schrecklich, wenn Vater und Charles abfällig mit dem Personal umgehen, sie entweder schroff anfahren oder durch die Bediensteten hindurchsehen, als wären sie Einrichtungsgegenstände, aber heute setzte ich selber eine ähnlich hoheitsvolle Miene auf und befahl ziemlich knapp: »Tun Sie, was ich Ihnen sage!«

Pete fügte sich, auch wenn ich mir ziemlich sicher war, dass er gleich danach zu Vater rennen würde oder zumindest zu unserem Butler, Mr Crumbley, aber das war mir egal. Bis der einschreiten könnte, wäre ich längst über alle Berge.

Ich ritt auf Diana, einer braunen Stute mit glänzendem Fell und feuchten Augen. Eigentlich ist sie ein gutmütiges, fast ein wenig scheues Tier, aber als ich sie zu immer größerem Tempo antrieb, galoppierte sie regelrecht entfesselt. Bald hatten wir das Herrenhaus hinter uns gelassen. In der Ferne waren noch vereinzelt Häuser im Umland von Totland zu sehen, aber ich wählte die andere Richtung, die zu den Needles führte. Der Sturm war heftig, aber der Regen, der die ganze Nacht über gegen mein Fenster geprasselt war, hatte nachgelassen. Die Morgensonne färbte den Himmel rostrot, und wenn ihre Strahlen auch noch nicht stark genug waren, um mich zu wärmen, brachte sie den Sand von Alum Bay in sämtlichen Nuancen zum Leuchten. Die Kreidefelsen weiter im Westen wirkten nicht weiß wie sonst, als hätte es frisch geschneit, sondern fast violett. Eigentlich wollte ich nur ein kurzes Stück reiten, dann absteigen und ein wenig spazieren gehen, aber als Diana erst mal in wilden Galopp verfallen war, gab es kein Halten mehr. Beatrice hatte mir die Haare zu einem festen Zopf geflochten, aber wie ich es mir ausgemalt hatte, lösten sich die Strähnen plötzlich. Der Wind riss an ihnen ebenso wild wie an der Mähne von Diana, blähte meine Hosen und gab mir das Gefühl, ich würde fliegen.

Das ist Freiheit, dachte ich. Sie klingt wie das Geschrei von Möwen, sie schmeckt wie der salzige Meerwind, sie ist so bunt wie die Wiesen, auf denen jetzt im Frühling so viele Blumen wachsen – Glockenblumen, Fingerhut, Narzissen. Auch der Ginster blüht inmitten von moosähnlichem Gras.

Und nicht nur Freiheit verheißt das alles, sondern … Glück, pures, tiefes, grenzenloses Glück.



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