Sturmmaler (German Edition) by Stefan W. Ganninger

Sturmmaler (German Edition) by Stefan W. Ganninger

Autor:Stefan W. Ganninger [Ganninger, Stefan W.]
Die sprache: deu
Format: epub, azw3, mobi
veröffentlicht: 2014-06-05T22:00:00+00:00


Esmerila saß auf dem Pferdekarren und betrachtete die Landschaft um sie mit neugierigen Augen. Abgeerntete Felder, auf den Getreidestoppeln wie dünner Bartwuchs aus der Erde guckten. Der Geruch von Heu und aufgeworfener Erde lag schwer in der Luft. Anderenorts rupften ein paar Frauen die letzten Kartoffeln aus dem Boden. Sie richteten sich auf, als der Karren vorbeikam, blinzelten kurz gegen die Sonne und beschlossen, dass Esmerilas Anwesenheit es nicht wert war, sie weiter von der Arbeit abzuhalten.

Nach dem Vorfall mit dem Räuber hatte Esmerila beschlossen, das Terrain zu wechseln. Lieber lief sie Gefahr, auf den vielbefahrenen Wegen erkannt zu werden, ein Umstand, der aber immer unwahrscheinlicher wurde, je näher sie Edelbergen kam, als das Opfer von Diebes- oder Mordgesindel zu werden.

Ein freundlicher alter Mann, dessen Kleidung so roch wie die Ziegen, die er auf seinem Karren transportierte, hatte sie mitgenommen. Hinten auf der Ladefläche durfte sie es sich gemütlich machen. Nicht unbedingt die bequemste Art zu reisen, aber immerhin ging sie damit scharfen Dolchen und Blasen an den Füßen gleichermaßen aus dem Weg. Der Alte hatte ihr auch zu Essen und zu Trinken gegeben und es war ihr mehr als peinlich gewesen, dass sie ihm einen leeren Wasserschlauch zurückgegeben hatte. „Wer reichlich gibt, dem wird auch reichlich zurückgegeben“, hatte der Mann gesagt und den leeren Schlauch auf den Kutschbock geworfen.

Eine Ziege leckte an ihrer Hand, die Zunge rau und feucht. Die Tiere waren für ihre Störrigkeit bekannt und auch mehrmaliges Wegschubsen hatte sie nicht dazu bewegen können, von Esmerilas Hand abzulassen.

„Wie weit noch, Sir?“

„Nenn‘ mich doch endlich Johann, Kind“, sagte der Alte. „Noch fünf Meilen bis zur Abzweigung.“

Mit hängendem Kopf trottete er neben seinem Pferdchen einher. Hin und wieder landete seine Hand auf dem Hinterteil des Tieres, immer dann, wenn es sich anschickte, seinen Schritt zu verlangsamen. Doch gleich darauf strich er über die getroffene Stelle und flüsterte dem Pferd beruhigende Worte zu.

Esmerila hatte ebenfalls laufen wollen wie Johann, aber der Alte hatte sie auf den Wagen gescheucht.

„Niemals wird eine Dame in meiner Gegenwart laufen müssen, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt“, hatte er gesagt. „Ich bin zwar kein Sir, aber ich weiß wohl, was sich gehört.“

„Wie kommt ihr darauf, dass ich eine Dame bin“, erboste sich daraufhin Esmerila.

Johann hatte gegrinst. „Kind, du magst zwar meine Augen täuschen, aber nicht meinen Bauch, der mit so viel Erfahrung gefüllt ist. So wie du läufst, bewegt sich kein Junge. So, wie du redest, redet kein Junge. Und deine Augen… Nein, so schöne Augen hat kein Junge. Bist wahrscheinlich eine Ausreißerin.“ Esmerila hatte betreten dreingeblickt. „Werdet ihr mich jetzt…?“

Johann winkte ab. „Nein, nein, ich werde dich nicht verpfeifen. Wirst deine Gründe haben. Hoffentlich gute. Und jetzt scher‘ dich auf den Karren.“

Esmerila hätte sich durchsetzen können, aber eigentlich war ihr sehr wohl bei dem Gedanken, dass es jemand gut mit ihr meinte. Außerdem wollte sie Johann nicht enttäuschen.

Also war sie auf die Ladefläche geklettert. Dort hatten bereits drei Ziegen gewartet, die sie mit freudigem Gemecker empfangen und wenig später angefangen hatten, an ihren Kleidern herumzukauen.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.