Straße ohne Ende by Mochtar Lubis

Straße ohne Ende by Mochtar Lubis

Autor:Mochtar Lubis [Lubis, Mochtar]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Indonesien, Asien
Herausgeber: Unionsverlag
veröffentlicht: 2015-10-15T16:00:00+00:00


6

Dezember.

»Du wirst dich an Gewalt gewöhnen. Der Mensch verfügt über eine große Kraft, sich mit gegebenen Dingen abzufinden. Nicht nur damit, dass bei der Erfüllung seiner Pflichten getötet wird. Auch mit Grausamkeit und mit Blutvergießen. Alle Menschen können sich damit abfinden. Es wird nicht lange dauern, bis auch Rakhmat bereit ist, Köpfe abzuschneiden, ohne lange darüber nachzudenken. Auch wenn er sich unzweifelhaft von Menschen vom Schlage Ontongs unterscheidet«, sagte Hazil.

Sie befanden sich in Isas Arbeitszimmer. Hazil stand in der Nähe des Fensters. In der Hand hielt er die Violine, auf der er gerade gespielt hatte. Isa saß hinter seinem Schreibtisch. Soeben hatte er den Mord an den beiden chinesischen Frauen noch einmal zur Sprache gebracht und betont, dass es mit solchen Grausamkeiten ein Ende haben müsse. Wer sich derartiges zuschulden kommen lasse, müsste von denen, die aufrichtig für die Freiheit kämpften, bestraft werden. Mord gehöre nicht in den Kampf für die Freiheit. So hatte Isa gesprochen.

»Ich werde mich niemals an Gewalt gewöhnen können«, erwiderte er jetzt. »Es macht mich krank, Gewalt mit ansehen zu müssen.«

»Das sagst du jetzt. Auch du wirst dich noch daran gewöhnen. Was kannst du gegen die Gewalt der Holländer uns gegenüber anderes tun, als sie mit Gewalt zu beantworten?«, fragte Hazil.

Isa wusste eine Antwort auf diese Frage. Zumindest, was ihn selbst betraf. Wenn man ihn gewähren ließe, würde er ganz bestimmt entweder vor der Gewalt davonlaufen oder sich ihr unterwerfen.

Doch er wusste, dass er diese Antwort vor Hazil nicht preisgeben durfte. Er würde gewiss wütend auf ihn werden, und ihre Freundschaft könnte daran zerbrechen. Isa wusste nur zu gut, dass Hazil seinen Kampf aus tiefer Überzeugung führte und auch bereit war, sein Blut dafür zu geben. Nachdem sie seinerzeit ihre Mission mit dem Lastwagen erfüllt hatten, war es noch nicht wieder geschehen, dass sie Waffen von einem zu einem anderen Versteck hatten schaffen müssen. Hazil hatte berichtet, dass die vier Kisten mit Munition und Handgranaten sicher in Karawang angekommen waren.

Nach jenem Nachmittag in Asam Reges war Isa nächtelang von bösen Träumen verfolgt. Wiederholt hatte er geträumt, dass er in einen tiefen und finsteren Brunnenschacht stürze. Und dass er auf einen Haufen verfaulender Kadaver und Leichen stürze. Und noch entsetzlicher war, dass die Gesichter dieser Leichen alle aussahen wie sein eigenes Gesicht. Mittlerweile plagte ihn dieser Traum nur noch selten, doch immer noch verfolgte ihn panischer Horror im Schlaf. Immer wieder träumte er, dass er auf einer Straße ging, die wie ein Blitz die Finsternis der Nacht durchschnitt und kein Ende hatte. Auf dieser Straße rannte er keuchend und bis zur Erschöpfung, unaufhörlich gehetzt von irgendetwas Furchterregendem, das er nicht greifen konnte. Und jetzt quälte ihn dieser Traum zusätzlich zu dem Traum von dem finsteren Brunnenschacht, so tief und so eng.

»Los, spielen wir es noch einmal«, wich Isa Hazils Frage diplomatisch aus.

Hazil legte sich die Violine an das Kinn und begann ein weiteres Mal, seine Komposition zu streichen. Seine Musik vom Streben des Menschen nach Glück, die er beständig zu verbessern gewusst hatte. Und Isa schlug die Trommel dazu.



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