Stachelmann 03 - Schatten des Wahns by Christian Ditfurth

Stachelmann 03 - Schatten des Wahns by Christian Ditfurth

Autor:Christian Ditfurth [Ditfurth, Christian]
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
Tags: General Fiction
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch Verlag
veröffentlicht: 2014-02-16T23:00:00+00:00


Vor der Eingangstür musste Stachelmann lachen. Er hatte das Büro des Lackaffen verlassen, einen Blick auf das Püppchen im Vorzimmer geworfen, das sein so ebenmäßiges wie ausdrucksloses Gesicht zu einer Freundlichkeit vorspiegelnden Grimasse verzogen hatte, und die Erleichterung gespürt, die einen erfasst, wenn man einen Menschen verlässt, der durch und durch verlogen ist. Nun machte er sich auf den Weg zu dem Arzt. Er prüfte noch einmal dessen Adresse in seinem Notizbuch, die Praxis lag in der Grabengasse, wo früher der Allgemeine Studentenausschuss saß, den alle nur AStA nannten.

Der Schmerz zog vom Rücken in die Beine, er schaute sich um, ob er ein Taxi fand. Stachelmann stellte sich an den Straßenrand und wartete, der Bahnhof war nah, es konnte nicht lange dauern. Es dauerte doch mehr als zwanzig Minuten, bis ein Taxifahrer hielt. Es fuhr ihn in die Grabengasse, und Stachelmann fand gleich das Haus neben der alten Universitätsbuchhandlung, in dem Rainer Detmolds Praxis lag. Er nahm den Aufzug in den zweiten Stock, klingelte an der Tür mit dem Praxisschild, drückte beim Summen die Tür auf und sah ein überfülltes Wartezimmer. Die Sprechstundenhilfe am Tresen nestelte in Papieren, dann warf sie ihm aus stark geschminkten Augen einen Blick zu und sagte: »Gleich.« Sie spielte mit einer Locke ihres kurz geschnittenen schwarzen Haars.

Es dauerte eine Weile, weil noch das Telefon klingelte. Hinter Stachelmann öffnete sich die Praxistür, und eine alte Frau drängte sich an den Tresen. Die Sprechstundenhilfe übersah, dass die Frau aufgeregt winkte, und schaute endlich Stachelmann an. Der sagte, er wolle den Doktor sprechen. Das wollten hier alle, er möge ihr seine Versicherungskarte reichen, die Praxisgebühr bezahlen und sich im Wartezimmer einen Platz suchen, sofern noch einer frei sei.

Stachelmann drehte sich um und verließ die Praxis. Die Sprechstundenhilfe hielt ihn nicht auf. Als er wieder in der Grabengasse stand, überlegte er. Ganz in der Nähe war eine Telefonzelle. Aber als Privatmann war der Arzt nicht aufgeführt im Telefonbuch. Stachelmann dachte einen Augenblick nach, dann rief er die Praxis an. Als die Sprechstundenhilfe sich meldete, sagte er: »Schmidt, UPS. Ich habe hier eine Sendung für Frau Detmold mit unvollständiger Adresse. Ich habe nun den Auftrag, die Sendung nur ihr persönlich auszuhändigen. Das ist doch die Frau von Herrn Rainer Detmold?«

»Liefern Sie das Paket doch in der Praxis ab«, sagte die Sprechstundenhilfe, sie klang genervt.

»Das darf ich nicht. Die Sendung ist hoch versichert, offenbar wertvoll. Ich darf sie nur Frau Detmold persönlich übergeben.«

»Hirschgasse 26«, sagte die Sprechstundenhilfe und legte auf. Er verließ die Zelle und kaufte in der Buchhandlung einen Stadtplan. Die Hirschgasse lag auf dem nördlichen Neckarufer. Er überquerte die Karl-Theodor-Brücke und ging die Ziegelhäuser Landstraße entlang bis kurz vor den Wehrsteg, wo die Hirschgasse links abzweigte. Bald atmete er schwer, als er die Steigung nahm, er musste einige Zeit laufen, bis er vor dem Haus Nr. 26 stand. Es war ein in den Hang gebauter Bungalow, schlicht, aber teuer. Allein die Grundstückspreise in der Hanglage mit Blick auf Neckar und Schloss mussten astronomisch sein. Stachelmann fühlte sich klein. Zu Recht, er war ein Versager, so schön würde er nie wohnen.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.