Spreelore by Erdmann Graeser

Spreelore by Erdmann Graeser

Autor:Erdmann Graeser [Graeser, Erdmann]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-06-05T00:00:00+00:00


Sie sang es mit so herzbewegender Stimme und solchem Gefühl, daß sogar dem Studenten die Augen naß wurden. „Warum singen Sie denn so etwas Trauriges, Lore?“ sagte er verlegen.

„Ach Jott, ich kann nich anders, wenn ich so an alles denke!“

„An was denn?“

„Wie’s mal mit mir kommen wird!“

„Und ich dachte immer, Sie sind ein so ausgelassenes, fröhliches Mädelchen!“

„Hat sich was! Da sehen Sie ja, wie man sich täuschen kann! Wie oft liege ich nachts munter und heule meine Kopfkissen naß!“

Sie sah ihn mit einem schmachtenden Augenaufschlag an, wie ihn Fräulein Lohr zuweilen hatte, und sagte: „Na – Schwamm drüber! Wieviel Uhr mag’s eigentlich sein?“ Er hatte seine Uhr als Pfand beim Bootsverleiher abgegeben und überlegte: „Ja – die Stunde wird wohl abgelaufen sein, wir wollen man lieber zurück, um bei der Anlegestelle nachzusehen, sonst berechnet er mir die angefangene Stunde als voll!“ „Schade, daß Sie immer so knapp bei Kasse sind und es Ihnen auf die paar Sechser ankommt!“

„Studenten haben doch nie viel Geld!“

„Ich denke, Sie sind aus juter Familie und Ihr Vater is reich! Wat is er denn eijentlich?“ „Rechtsanwalt und Notar! Das will ich auch werden und deshalb studiere ich Jura. Und was ist Ihr Vater?“ „Der war mal was – Kapitän auf einem Hamburger Kauffahrteischiff, aber das is beim Kap der juten Hoffnung unterjejangen, und mein Vater hat bloß sein nacktes Leben jerettet!“

„Ach nee!“

„Ja – und denn is er nach’m Äquator jeschwommen und –“

„Nach dem Äquator geschwommen? Lore – wissen Sie denn auch, wo der is und wo das Kap der guten Hoffnung liegt?“

„Wissen Sie’s denn? Ja? Na – dann brauch’ ich’s Ihnen ja nicht zu sagen, und wenn es nach Ihrer Meinung zu weit auseinander is, na – da hat sich mein Vater eben an’n Schiffsbalken jeklammert und sich treiben lassen – is doch janz einfach! Jedenfalls is mein Vater am Äquator jewesen – wie er hinjekommen is, is ja janz schnuppe! Er hat doch peruanischen Balsam mitjebracht, und das is der beste Beweis, denn Peru liegt direkt auf’m Äquator!“

„Und jetzt ist Ihr Vater wieder hier?“

„Na ja doch! Sie haben ihn ja selbst jesehen – den Seemann mit die Harmonika, an dem Sonntag, wo Sie mir anjesprochen haben!“

„Der Matrose, dem Sie ‚Juvivallera!‘ zugerufen haben?“

„Ja, den meine ich! Und das war unser Erkennungszeichen. Er hatte sich verkleidet und wollte mir prüfen, ob ich ihn auch verleugne, und dann wollte er auch erst horchen, ob alles hier jut sei. Und das is’s doch nich, weil meine Mutter in Bigamie lebt – mit einem andern Mann!“

Student Perkholz hätte beinahe ein anderes Boot in Grund gebohrt, so wenig hatte er bei Lores Erzählung auf die übrigen Fahrzeuge geachtet. Nach einigem Schimpfen lief es noch glimpflich ab. Der aber, in dem anderen Boot, war kein anderer gewesen als der Gustav Holzer aus Marienwerder ...

Lore hatte ihn sofort erkannt, obwohl er nun auch ein großer, stattlicher Bursche war. Nach ihrer Meinung hatte er die Schuld gehabt, wenn ein Unglück geschehen, denn er war offenbar absichtlich dem „Amor“ in die Flanke gefahren. Wütend drehte sie sich noch einmal um und drohte mit der Faust, aber als Antwort kam nur ein höhnisches Lachen.



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