Soutines letzte Fahrt - Roman by Ralph Dutli

Soutines letzte Fahrt - Roman by Ralph Dutli

Autor:Ralph Dutli
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Wallstein Verlag GmbH
veröffentlicht: 2013-01-30T05:00:00+00:00


Ein Pharmazeut aus Philadelphia

Doktor Bog tritt ins weiße Zimmer und spricht den still in seinem Blütenbett liegenden Maler ein bisschen barsch an:

Sie sind geheilt, Monsieur Sutinchaim. Sie brauchen keine Operation mehr. Es ist alles gut. French Triple war erfolgreich. Die heilige Dreifaltigkeit von Protonenpumpenhemmer und zweier Antibiotika. Helicobacter pylori wird Ihnen nicht mehr zusetzen. Ihr Magengeschwür hat Sie verlassen, trauern Sie ihm nicht nach. Denken Sie an die weiße, schöne Milch, verehren Sie die Kühe, denken Sie mit Wehmut an das Bismutpulver zurück. Genießen Sie die weiße Schmerzfreiheit. Sie dürfen hier bleiben, so lange sie wollen. Ich wiederhole: Sie sind geheilt! Geheilt! Ihre Erinnerungen dürfen Sie behalten, sie sind Ihnen unbelassen. Weiden Sie sich darin, vergrößern Sie die Ihnen wichtigen Episoden, verändern Sie sie leicht, wie es Ihnen gefällt, oder löschen Sie sie zornig aus, all das ist Ihnen erlaubt. Bewahren Sie, was Ihnen bewahrenswert erscheint, und zerstören Sie die Bilder, die Sie aus der Welt fegen wollen. Ruhen Sie sich aus. Ist es nicht wunderbar, an diesem weißen Ort zu verweilen? Sie sind am Ziel. Sie haben sogar ein Recht darauf, hier zu sein. Nur eines muss ich Ihnen noch sagen. Nur eines ist Ihnen verboten: Sie dürfen hier nicht mehr malen. Verstehen Sie? Nie mehr. Die Folgen wären entsetzlich für Sie. Ich lasse Doktor Kno ein Protokoll aufsetzen.

Modi haucht es seinem Händler Zbo kurz vor dem letzten Weggleiten ins Ohr:

Sei nicht traurig, ich hinterlasse dir einen genialen Maler!

Zbo schaut ungläubig. Keiner nimmt dem Propheten aus Livorno seine Prophezeiung ab. Er ist wohl schon in seinem Delirium, seine nackten Göttinnen mit den selig geschlossenen Augen heißen ihn schon willkommen in einem herrlichen mittelmeerischen Land. Cara Italia, o süße Herkunft!

Und Modi war es auch, der Soutine in der Cité Falguière zugeraunt hat:

Was du brauchst, ist ein Händler, Chaim.

Er war es, der ihn 1916 Leopold Zborowski vorstellte, dem Gutsbesitzersohn und dichtenden Studenten, der 1914 einen Monat vor Ausbruch des Weltkriegs aus Krakau nach Paris gekommen war, voller Lebensgier, die Sorbonne rasch vergessend. Ein leichtlebiger, prassender, dauernd auf Pump lebender Außenseiter mit schwachem Herzen. Erst hat er bei den Bouquinisten seltene Bücher gekauft und wieder verkauft, dann kommen die ersten Leinwände, die er in seinem Wohnzimmer stapelt. Kisling, sein Nachbar in der Rue Joseph-Bara, führt ihn ein ins Milieu der Maler von Montparnasse. Im März 16 ist er Modiglianis Händler. Vertrag: 15 Francs am Tag, dazu Farben, Leinwände, Modelle … Der Italiener malt in Zborowskis Wohnzimmer, jeden Tag von zwei bis sechs. Und einmal schleppt er Soutine an und stellt ihn Zbo vor.

Ein erstklassiger Maler, du wirst schon sehen.

Zbo rümpft die Nase. Er liebt Modigliani, vor dessen Leinwänden er entzückt stammelt: Welche Poesie! Holt eine Kerze aus der Schublade und zeigt dem Besucher seine Wunderstücke, kramt sie aus einem Stapel hervor, liebkost sie leidenschaftlich mit Händen und Augen, wiegt verzückt den Kopf vor Modiglianis nackten Schönheiten. Welche Poesie, schauen Sie nur!

Und er liebt Utrillo, aber nicht diesen furchtbaren, schlecht riechenden Tölpel aus Weißrussland. Beim Betrachten seiner Bilder stehen ihm die Haare zu Berge.



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