Sonntags bei Sophie by Clara Sternberg
Autor:Clara Sternberg [Clara Sternberg]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-12-08T23:00:00+00:00
6
»Wie wärâs, wenn ich dich heimfahre?«, sagte ich zu Melanie. Wir hatten uns gerade von Sophie verabschiedet und standen vor meinem Auto. Es war dunkel, kein Stern war am Himmel zu sehen, und ein kalter Wind wehte. Die Luft roch nach Schnee. Der Abschied war mir schwergefallen, am liebsten hätte ich Sophie bewacht, bis Stefan nach Hause kam.
Aber sie hatte uns liebevoll hinausgescheucht. Sie werde sich jetzt auf dem Sofa einkuscheln, und wenn sie die Augen wieder aufmachte, dann war Stefan zurück, und sie würden einen gemütlichen Abend zusammen verbringen.
Da Melanie ja gerne Bahn fuhr, hatte ich mit Widerspruch gerechnet, aber sie nahm mein Angebot an und lieà sich mit einem erleichterten Seufzer auf dem Beifahrersitz nieder. »Ach, das ist lieb von dir. Ich sitze nämlich im Moment ungefähr so gerne in der Bahn wie in der Kanzlei. Irgendwie ist mir alles zu viel. Die Warterei in der Kälte auf dem Bahnsteig, der Trubel, die schlecht gelaunten Gesichter.«
»Das kann ich gut verstehen«, gab ich zurück. »Du, Melli ...«
»Ja?«
»Ich hab so ein ungutes Gefühl im Magen.«
»Ach je. Ist dir übel? Hast du Bauchweh? Soll ich fahren? Wir haben ja beide ganz schön zugeschlagen bei der Torte und den Pralinen, vielleicht ist dir die Mischung nicht bekommen?«
»Nein, das ist es nicht.« Ich suchte nach Worten, denn ich wollte zwar meine Sorgen mit Melanie besprechen, sie aber nicht in Panik stürzen.
»Es ist etwas ganz anderes. Ich frage mich, warum man Sophie nicht ansieht, dass sie auf dem Weg der Besserung ist. Und vorhin war sie plötzlich so erschöpft, dass sie kaum mehr sprechen konnte.«
Melanie brauchte eine Weile, bis sie verstand, was ich sagen wollte. »Und jetzt machst du dir Sorgen, dass sich die Dinge nicht so entwickeln, wie wir hoffen?«
»So ungefähr«, gab ich zu. Dass es für mein Empfinden abwärtsging mit Sophies Gesundheit, brachte ich nicht über die Lippen. Ich wagte es ja kaum zu denken.
»Also, ich bin eigentlich ganz zuversichtlich. Sophie hat doch selbst gesagt, dass wir keine Angst zu haben brauchen. Dass sie da sein wird, wenn Motte kommt, dass wir uns auf sie verlassen können. Und dass die Behandlungen bei Hajo ihr sehr guttun.«
Woher nahm Melanie nach diesem Nachmittag nur ihre Zuversicht, dass Sophies Organismus tatsächlich dabei war, gesund zu werden? Wie konnte es sein, dass sie, obwohl wir doch beide das Gleiche gesehen und gehört hatten, andere Schlüsse daraus gezogen hatte?
Eine Weile fuhren wir schweigend über die Autobahn. Irgendwann sagte Melanie: »Mir ist schon auch aufgefallen, dass Sophie nicht ... na ja, es ist schon so, dass sie noch nicht gesünder aussieht. Es nutzt ja aber nichts, darüber nachzugrübeln und sich in Ãngste hineinzusteigern. Wir müssen einfach Vertrauen haben, dass das Wunder in Arbeit ist. Auch wenn es noch unsichtbar ist.«
»Ach, Melli. Das fällt mir gerade extrem schwer. Hast du Sophies Gesicht gesehen, als sie sagte, dass sieben Wochen eine halbe Ewigkeit sein können?«
»Klar, ich saà ja neben ihr.«
»Und? Ist dir nichts Ungewöhnliches aufgefallen?«
Melanie überlegte. Dann sagte sie: »Nein. Ich weià nicht, was du meinst, ehrlich nicht.«
»Für mich sah sie so aus, als sei sie gar nicht bei uns, sondern ganz weit weg.
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