So nah am Paradies by Nora Roberts

So nah am Paradies by Nora Roberts

Autor:Nora Roberts [Roberts, Nora]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Contemporary
Herausgeber: Heyne Verlag
veröffentlicht: 2013-06-26T22:00:00+00:00


8. KAPITEL

Fast grollend starrte Dorian auf die Schreibmaschine, aber er konnte nichts zu Papier bringen. Die Wörter waren da, fest in seinem Kopf eingegraben. Das Gefühl war da, es brannte noch in ihm. Er konnte sich noch ganz klar und deutlich an alles erinnern, was am Nachmittag und Abend geschehen war.

Nachdem Alana die Küche verlassen hatte, hatte er einfach nur den Kassettenrekorder angestarrt, der weiterlief. War er schockiert? Er hatte die rosafarbene Brille schon vor Jahren abgenommen. Er wusste, wie hässlich das Leben sein konnte, wie gewalttätig. Er hatte in Schicksalen herumgegraben und die Wunden, die Narben und die Geheimnisse gefunden. Sie schockierten ihn nicht, und sie berührten ihn schon lange nicht mehr.

Aber er war lange in der Küche sitzen geblieben, in der immer noch der Duft des Kaffees hing. Und er litt, weil er sich daran erinnerte, wie blass ihr Gesicht und wie ruhig ihre Stimme gewesen war, als sie ihm die Geschichte erzählt hatte. Er hatte sie dann allein gelassen, da er wusste, sie brauchte das Alleinsein.

Er war in die Stadt gefahren. Abstand, verordnete er sich selbst, würde sicher helfen. Ein Journalist brauchte Abstand, genauso wie er intimste Kenntnisse brauchte. Gerade die Kombination davon konnte einer Geschichte erst die Wahrheit, die Kraft geben. Und war es nicht schließlich immer die Geschichte, die zuerst kam?

Die Luft hatte sich erwärmt und kündigte den März an. Bald würde der Frühling sich unaufhaltsam Bahn brechen. Und wenn der Frühling zu Ende ging, sollte das Buch fertig sein. Wie, das war ihm allerdings überhaupt nicht mehr klar.

Bei seiner Heimkehr hatten die Jungen im Hof mit dem Hund gespielt. Es war ein großes Gejage, Geschrei und Gebell gewesen. Vom Wagen her hatte Dorian sie eine Zeit lang gedankenverloren beobachtet, bis Chris zu ihm herüberrannte und ihn zu ihrem Spiel einlud.

Selbst jetzt, Stunden später, sah Dorian noch das strahlende Gesicht von Chris vor sich, wie er ihn mit großen, unschuldigen Augen angesehen hatte. Ganz vertrauensvoll hatte der Kleine seine Hand ergriffen und ihm von seinen aufregenden Erlebnissen in der Schule erzählt.

Sie waren um das Haus herumgelaufen und in die Küche. Alana hatte am Herd gestanden. Als sie sich umwandte, trafen sich ihre Augen und ließen einander nicht los. Er hatte Spannung erwartet, aber sie kam nicht auf, auch nicht während des Essens oder später, als sie ein Brettspiel mit den Kindern spielten. Dann wurden die Kinder ins Bett geschickt, und auch Alana zog sich in ihr Zimmer zurück.

Seitdem hielt sich Dorian in seinem Zimmer auf, ohne Ruhe und Entspanntheit finden zu können. Er hatte eine packende Geschichte, die er nur aufzuschreiben brauchte. Sie enthielt alles: Liebe, Betrug, Sex, Gewalt. Und sie war nicht erdacht, sie war wirklich.

Er erinnerte sich daran, wie vertrauensvoll die kleine Hand in seiner gelegen hatte.

Fluchend erhob sich Dorian vom Schreibtisch. Er konnte einfach nicht. Er konnte es einfach nicht schwarz auf weiß zu Papier bringen, was Alana ihm erzählt hatte. Selbst wenn er es noch so vorsichtig formulieren würde, es würde immer hässlich und unverzeihlich bleiben. Und das Kind war so unschuldig und vertrauensvoll.



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