Sklaven des Wachstums - die Geschichte einer Befreiung by Campus
Autor:Campus
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Gesellschaft, Weltbevölkerung, Konsum, Ressourcen, Klimawandel, Zukunft, Nachhaltigkeit, Wirtschaft, Veränderung, Ökologie
Herausgeber: Campus
veröffentlicht: 2014-04-14T16:00:00+00:00
In der Niedrigfertilitätsfalle
Für eine Rückkehr zu höheren, geschweige denn zu bestandserhaltenden Geburtenzahlen gibt es im Moment jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Im Gegenteil: Länder wie Deutschland, Japan, China oder Italien scheinen in einer sogenannten Niedrigfertilitätsfalle zu stecken.216 Kleine Familien sind dort bereits zu einer sozialen Norm geworden. Dies ist kein Wunder, denn wer heute Kinder bekommt, ist selbst sein ganzes Leben in einem Umfeld mit wenigen Kindern und Geschwistern und mit kleinen Familien aufgewachsen. Zudem gilt die freiwillige Kinderlosigkeit in unserer pluralistischen Gesellschaft keinesfalls mehr als Makel. In solchen Gesellschaften verlieren auch die Kinderwünsche an Bedeutung. Und gegen diese sozialen Normen kann selbst eine gut gemeinte Familienpolitik erfahrungsgemäà wenig ausrichten. Jedenfalls ist es in Deutschland trotz vieler Reformen und eines erheblichen Finanzaufwands nicht gelungen, auch nur das Geringste an der landesweiten Fertilitätsrate zu verändern.217
In Deutschland bleiben qualifizierte Frauen häufiger kinderlos als andere. 28 Prozent der um 1965 geborenen Akademikerinnen haben keine Kinder. Warum sich das so verhält, ist nicht ganz klar.218 Zum einen können Frauen mit Universitätsabschluss dank ihrer beruflichen Möglichkeiten eine andere Lebensplanung verfolgen. Zu anderen ist es für sie schwieriger, einen Partner zu finden. Dies gründet auch darauf, dass Frauen in Deutschland nach wie vor »nach oben« oder zumindest ebenbürtig heiraten beziehungsweise Partnerschaften eingehen wollen. Das heiÃt, sie bevorzugen Partner mit höherem sozialem und finanziellem Status. Da aber junge Frauen heutzutage im Schnitt besser qualifiziert sind als ihre gleichaltrigen männlichen Zeitgenossen, kann dieses Partnersuchspiel gar nicht aufgehen. Dies hat zur Folge, dass sowohl gut ausgebildete Frauen als auch gering qualifizierte Männer häufig ohne Nachwuchs bleiben.219
Der demografische Aderlass in Deutschland verteilt sich allerdings nicht gleichmäÃig über das Land. So wird die Bevölkerung, trotz insgesamt rückläufiger Einwohnerzahlen, in einigen Regionen weiter wachsen â und zwar in jenen Gebieten, in denen es attraktive Städte gibt und die Wirtschaft ausreichend Arbeitsplätze zu bieten hat. Sie liegen in den Wirtschaftszentren von Bayern und Baden-Württemberg, im Rhein-Main-Dreieck, an der Rheinschiene zwischen Bonn und Düsseldorf oder in Hamburg. Aber auch im Westen von Niedersachsen, der einzigen ländlichen Region Deutschlands mit überdurchschnittlichen Wirtschaftsdaten, wird man sich um einen Bevölkerungsrückgang keine Sorgen machen müssen.
Im Osten Deutschlands beschränkt sich das Wachstum auf die wenigen Zentren, im Wesentlichen auf Dresden, Leipzig und den GroÃraum Berlin. Im Rest der Republik, vor allem in den ländlichen Regionen, die keinen Anschluss an die gröÃeren Zentren des Landes haben, stehen die Zeichen auf Schwund. Dies sind jene Gebiete in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, in den Randlagen Brandenburgs und den peripheren Gebiete von Thüringen und Sachsen, aus denen schon heute viele junge Menschen abgewandert sind, und wo es entsprechend wenig Nachwuchs gibt. Ostdeutschland dürfte bis 2050 noch einmal fast 30 Prozent seiner Einwohner verlieren.220 Aber auch im Westen, überall entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze, im Siegerland, in Mittelhessen, in der Südwestpfalz, im Saarland oder im Hunsrück, gehen den Orten die Einwohner aus. Manche entlegene Regionen dürften in den kommenden Jahrzehnten regelrecht leerlaufen.
Das wäre kein wirkliches Drama, schlieÃlich haben zu früheren Zeiten auch schon weniger Menschen in Deutschland gelebt. Nicht jeder Flecken war besiedelt und mit Wasserleitungen, Stromnetzen und Breitband-Internet erschlossen.
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