Sjoewall, Maj & Wahloeoe, Per - Beck 06 by Und die Grossen laesst man laufen

Sjoewall, Maj & Wahloeoe, Per - Beck 06 by Und die Grossen laesst man laufen

Autor:Und die Grossen laesst man laufen
Die sprache: deu
Format: mobi
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


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Lennart Kollberg mußte mehr als eine Stunde auf Nachricht vom Sittlichkeitsdezernat warten. Unterdessen hockte er schwer und passiv und verschwitzt an seinem Schreibtisch in Västberga. Was am frühen Morgen wie ein einfacher Botendienst ausgesehen hatte, nämlich die Befragung zweier Zeugen, hatte sich auf merkwürdige Art zu einer reinen Jagd entwickelt.

Plötzlich waren Hampus Broberg und die rätselhafte Helena Hansson zwei Personen, nach denen gefahndet wurde, und er selbst saß mitten im Fahndungsnetz wie eine ratlose Kreuzspinne. Bemerkenswert war nur, daß er noch immer nicht wußte, warum er diese beiden Menschen suchte. Es lag nichts gegen sie vor; kein Mensch hatte Anzeige gegen sie erstattet, als Zeugen hatte man sie schon vernommen, nämlich in Malmö, und der gesunde Menschenverstand schien darauf hinzudeuten, daß keiner von beiden irgendwie mit dem Mord an Viktor Palmgren in Verbindung gebracht werden konnte. Dennoch wurde er das Gefühl nicht los, daß es wichtig war, die beiden so schnell wie möglich zu erwischen. Warum?

Da spielt dir wieder mal deine Polizistenseele einen Streich, dachte er düster. Dreiundzwanzig Dienstjahre haben dich zerstört und einen anderen Menschen aus dir gemacht. Du kannst nicht mehr denken wie ein normaler Bürger.

Dreiundzwanzig Jahre täglichen Umgangs mit anderen Polizisten hatten bewirkt, daß er nicht mehr imstande war, mit der Umwelt vernünftige Beziehungen aufrechtzuerhalten. Nicht einmal im Kreis seiner Familie hatte er je das Gefühl gehabt, wirklich dienstfrei zu haben. Immer gab es irgend etwas was im Unterbewußtsein unablässig arbeitete. Er hatte lange damit gewartet, diese Familie zu gründen, und der Grund dafür war, daß der Beruf des Polizeibeamten kein normaler Job ist, sondern etwas, dem man sich ausliefert und von dem man sich offensichtlich nie lösen kann. Ein Beruf, in dem man Tag für Tag fast nur in abnormen Situationen mit anderen Menschen in Berührung kommt, kann eigentlich zu nichts anderem führen, als daß man selbst eines Tages abnorm wird.

Im Gegensatz zu der überwältigenden Mehrheit seiner Kollegen war Kollberg in der Lage, seine eigene Situation zu durchschauen und klar zu analysieren. Und das tat er mit verblüffender Hellsichtigkeit. Leider. Sein Problem lag darin, daß er ein sinnlicher und ein Pflichtmensch zugleich war, und das in einem Beruf, in dem Empfindsamkeit und persönliches Engagement ein Luxus sind, den man sich in neun von zehn Fällen nicht leisten kann.

Warum verkehrten Polizisten fast ausschließlich mit anderen Polizisten?

Natürlich deshalb, weil es leichter war. Es war leichter, die nötige Distanz zu halten. Aber auch leichter, die ungesunde Kameraderie zu übersehen, die sich seit vielen Jahren ungehemmt im Polizeikorps breitmachte und im Prinzip bedeutete, daß der einzelne Polizeibeamte sich selbst von der Gesellschaft ausschloß, die er schützen und in die er vor allem integriert werden sollte. Polizisten kritisieren zum Beispiel nicht andere Polizisten, es sei denn in seltenen Ausnahmefällen.

Eine erst kürzlich durchgeführte soziologische Untersuchung zeigte, daß Polizisten, die Urlaub haben und sich infolgedessen notgedrungen mit anderen Menschen befassen müssen, sich in den meisten Fällen schämen, zuzugeben, daß sie Polizeibeamte sind.

Ein Ergebnis der Rollenfixierung und der Mythen, die sich um diesen Beruf ranken.

Die ständige Angst, Mißtrauen oder offener Verachtung zu begegnen, kann am Ende auch den Stärksten paranoid machen.



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