Sintflut by Tooze Adam

Sintflut by Tooze Adam

Autor:Tooze, Adam [Tooze, Adam]
Die sprache: eng
Format: epub
Herausgeber: Siedler
veröffentlicht: 2015-04-18T16:00:00+00:00


IV

Clemenceau war kein einfältiger Realist, wenn es um die internationale Politik ging. Anfang April 1919 sprach er sich leidenschaftlich dafür aus, den Versailler Vertrag zu einem aufsehenerregenden Präzedenzfall zu machen und den Kaiser als internationalen Verbrecher vor Gericht zu stellen.760 Doch die Enttäuschung, die Larnaude und Bourgeois in der Kommission hinnehmen mussten, bestätigte Clemenceau in seinem Verdacht, dass Frankreich auf den Völkerbund nichts geben konnte. Um aus dieser Lage noch das Beste zu machen, distanzierte sich auch Clemenceau, genau wie die Briten und Amerikaner, von den undurchführbaren Forderungen Bourgeois’. Desto stärker werde, so hoffte er, der trilaterale transatlantische Pakt mit Großbritannien und den USA gefestigt, der sein eigentliches Ziel war.761 Eine echte demokratische Allianz vorausgesetzt, konnte Frankreich auch mit einem inhaltsleeren Völkerbund leben. Die eigentliche Gefahr bestand aus Pariser Sicht darin, dass sich der Bund zu einer exklusiven angloamerikanischen Doppeldominanz entwickelte. Damals wie später argumentierten die Kritiker, der Völkerbund sei nichts weiter als ein bequemes Vehikel zur Aufrechterhaltung des angloamerikanischen Imperiums.762 Aber wie berechtigt waren diese Behauptungen? Gewiss hofften die Briten, den Bund zu einem Forum für ein transatlantisches Kondominat zu machen, und diese Vision hatte auch zumindest für einige republikanische Senatoren ihren Reiz.763 Doch die Haltung der Wilson-Administration war diesbezüglich nicht gerade ermutigend. Und sie war am wenigsten ermutigend, wo sie am meisten zählte: im Hinblick auf Geld und Schiffe.

Im Lauf des Winters 1918/19 wurde von der Seite der Entente darüber geredet, den Völkerbund zum Instrument für eine internationale Finanzvereinbarung zu machen. Wie wir sehen werden, wurden diese Pläne jedoch rasch verworfen. Noch beunruhigender, sofern das ging, war Wilsons Standpunkt in Bezug auf die Flottenfrage. Im Vorfeld seines Besuchs in London im Dezember gab er der Times ein sorgfältig vorbereitetes Interview, in dem er von der Notwendigkeit eines »denkbar großzügigen Einvernehmens zwischen den beiden englischsprachigen Demokratien« sprach.764 Aber was hieß das für die künftige Organisation der Seemacht? In seinen eigenmächtigen Waffenstillstandsnoten im Oktober 1918 mit den Deutschen hatte Wilson den Aufruf zur Freiheit der Meere wiederholt, der für die Briten absolut tabu war. Um den Druck noch zu erhöhen, bat er Ende Oktober den Kongress, angemessene Mittel für ein zweites dreijähriges Flottenprogramm zu genehmigen. Und in unbeobachteten Augenblicken auf der Überfahrt nach Europa Anfang Dezember stellte er klar, was dies bedeutete. Wenn sich Großbritannien nicht arrangiere, werde Amerika »die größte Flotte auf der Welt bauen, die deren ebenbürtig war und sie gar übertraf … und wenn sie [ihre Flotte] nicht begrenzten, dann würde es zu einem weiteren und noch schrecklicheren und blutigeren Krieg kommen und England würde von der Landkarte verschwinden«.765 Als Wilson in Europa eintraf, standen die Aussichten für Großbritannien offenbar schlecht, eines seiner Hauptziele zu erreichen: ein freundschaftliches Abkommen über die Aufteilung der Macht mit den Vereinigten Staaten und die Anerkennung durch die USA, dass ein weltumspannendes Reich wie das britische an die Marine außergewöhnliche Ansprüche stellte. Im Spannungsfeld dieser sich grundsätzlich widersprechenden Positionen hatten sich bis Ende März 1919 die Beziehungen zwischen den Marineoffizieren beider Seiten so sehr verschlechtert, dass die Admiräle mit Krieg drohten und davon abgehalten werden mussten, aufeinander loszugehen.



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