Sieh mich an by Natasha Friend
Autor:Natasha Friend [Friend, Natasha]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg
veröffentlicht: 2015-07-29T16:00:00+00:00
STAUBKÖRNCHEN, ATOME
Als Ruthie und ich das Haus betraten, erwartete unser Vater uns bereits im Vorzimmer. Er sah nicht sehr zufrieden aus.
»Hattest du einen harten Tag im Gericht?«, erkundigte sich Ruthie.
Doch er antwortete nicht einmal, sondern blickte direkt zu mir: »Alexa. In mein Arbeitszimmer. Jetzt sofort.«
Noch nie hatte er so mit mir gesprochen. Als ich meinen Rucksack abnahm und ihm durch den Flur folgte, wurde mir immer unwohler zu Mute.
Im Arbeitszimmer meines Vaters gab es nur zwei Stühle. Beide waren mit dunklem Leder bezogen, das an den Armlehnen spröde geworden war. Er hatte sie einander gegenüber aufgestellt.
»Setz dich«, befahl er.
Ich setzte mich.
»Ich bin heute Nachmittag von deinem Direktor angerufen worden«, begann er, »und weißt du, was er mir erzählt hat?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Er hat mir erzählt, dass du in den zwei Tagen, seit du wieder in der Schule bist – von den sechzehn Stunden, die du während dieser zwei Tage gehabt hättest –, ganze fünf Stunden gefehlt hast. Fünf.«
Er sah mich an, als erwartete er, dass ich seine Rechenfähigkeiten in Frage stellte.
Was ich nicht tat.
»Ich kann sehr wohl verstehen, und deine Lehrer ebenfalls, dass du dich erst einmal wieder eingewöhnen musst, aber du musst verstehen, dass Schwänzen absolut nicht akzeptabel ist. Im Staat Connecticut gibt es sogar ein Gesetz gegen unentschuldigtes Fehlen, das keine Ausnahmen zulässt. Deine Mutter und ich haben dir sehr viel Zeit gelassen, indem du die ersten beiden Schulwochen zu Hause bleiben durftest, aber jetzt ist die Schonfrist vorbei. Du bist zu schlau, um die zehnte Klasse zu wiederholen. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
Ich nickte.
»Ich habe einen Gerichtstermin abgesagt, um nach Hause zu kommen und mit dir zu reden. Deine Mutter ist sehr enttäuscht.«
Ich blickte auf meine Fingernägel, um meinen Zorn zu verbergen. Wenn meine Mutter so enttäuscht war, warum nahm sie dann nicht an diesem Gespräch teil? Warum versteckte sie sich in der Küche? Warum ließ sie meinen Vater die Drecksarbeit machen?
»Alexa.«
»Ja.«
»Du musst deiner Mutter gegenüber respektvoller sein.«
Abrupt schaute ich auf. »Ich muss ihr gegenüber respektvoller sein? Sie muss mir gegenüber respektvoller sein!«
»Inwiefern?« Er sprach mit seiner Anwaltsstimme, sachlich und überlegt. »Nenn mir ein Beispiel.«
»Zum Beispiel lässt sie mich nie in Ruhe! Dauernd steht sie hinter mir! Und statt sich um ihr eigenes Leben zu kümmern, versucht sie ständig meins zu organisieren!«
Das war erst der Anfang, doch mein Vater hob die Hand, um mich zu bremsen. »Deine Mutter liebt dich sehr.«
»Was hat das damit zu tun?«
»Sie hat das Herz am rechten Fleck … Hör zu, ich erwarte keine Wunder, alles, was ich verlange, ist ein Bemühen von allen Beteiligten.«
Ich seufzte.
»Motte.«
»Was?«
Er sah mich an. »Tu mir den Gefallen.«
»Okay«, sagte ich.
»Okay?«
»Ich werde mich bemühen.«
Auch wenn es mir schwerfiel, den Satz auszusprechen. Ich hatte mir geschworen mein Leben nicht mehr von meiner Mutter diktieren zu lassen, und jetzt hatte sie nichts Besseres zu tun, als mir über meinen Vater Schuldgefühle zu machen. Was ich ihm noch nicht einmal vorwerfen konnte. Es war nicht sein Fehler.
Als ich meinen Vater betrachtete, wie er seine Brille abnahm und sich mit dem Finger über die Adlernase fuhr, bekam ich ein schlechtes Gewissen.
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