Siegwart. Eine Klostergeschichte by Miller Johann Martin
Autor:Miller, Johann Martin
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T05:00:00+00:00
Das Mädel lob ich mir allein,
Das Leib und Seele kann erfreun:
Dem Tag und Nacht zu jeder Frist
Der Pursche fein willkommen ist!
Als die beyden Herren ausgesungen hatten – denn Gutfried sang nicht mit – so fragte Siegwart, ob sie den Herrn von Kronhelm kennen? O ja! sagte Boling, er hört mit mir das Ius Canonicum. Es ist ein trocknes eingebildetes Bürschchen, das immer aussieht, als obs weinen wollte. Der Kerl ist mir recht fatal, weil er immer allein auf der Stube sitzt, und sich viel zu gut dünkt, mit andern ehrlichen Kerls umzugehen. – Er ist doch sehr artig in Gesellschaft, sagte Gutfried; ich hab ihn ein paarmal im Konzert beym Hofrath Fischer gesprochen. Er ist nichts weniger als stolz. Ein Bißchen schwermüthig scheint er wol zu seyn. Es muß ihm etwas fehlen. Sonst aber ist er sehr artig, und hat viele Lebensart. – Er ist mein vertrauter Freund, sagte Siegwart zu Gutfried; ich habe zwey Jahre auf der Schule mit ihm zusammen gelebt; wir wurden Ein Herz und Eine Seele. Ich glaube, daß er mir entgegen kommen wird. – Das soll mir lieb seyn, antwortete Gutfried; ich habe schon längst gewünscht, genauer mit ihm bekannt zu werden; aber es wollte sich nicht schicken: vielleicht geschiehts jetzt. Ein paar Bücher hab ich durch die dritte Hand von ihm zu lesen bekommen, die sehr schön waren. Das Eine hieß der Messias, und im andern stund ein grosses Gedicht, der Frühling. – O, die kenn ich wohl, die hab ich selbst auch, sagte Siegwart. Sie lesen wol gern solche Bücher, mein Herr Gutfried? Ausserordentlich gern! antwortete dieser; wenn man nur in Ingolstadt dergleichen auch bekommen könnte! – Die beyden Jünglinge fiengen nun ein vertrauteres Gespräch über diese Materie an; denn nichts macht vertrauter, als die gemeinschaftliche Liebe zu den schönen Wissenschaften. Sie beschäftigt sich mit der Empfindung, und da begegnet man sich alle Augenblick auf Einem Wege. – Da hat er nun einmal den rechten Mann gefunden, sagte Boling zu Kirner, vor dem er sein Herz ausschütten kann. Wir müssen immer hören, daß wir von nichts, als Studentenmährchen reden können. – Es ist auch wahr, fiel ihm Gutfried ein, ihr bekümmert euch um nichts, was geschrieben wird. – Um Vergebung! sagte Boling; wir lesen doch den Triller und den Günther. Das ist wol ein herrlich Lied im Günther: Ihr Schönen höret an etc.
Indem kam ein Kapuziner an den Postwagen, und bat den Schwager, ihn doch einzunehmen, weil er sehr ermüdet, und von der langen Reise halb krank sey. Meinetwegen wol, sagte der Postknecht, wenns die Herren da zufrieden sind. Sogleich machte Siegwart den Schlag auf, und ließ den Kapuziner ein. Er setzte sich neben Kaspar, der sich ängstlich vor ihm zurück zog. Bleib er sitzen, junger Herr! sagte Siegwart, und schlag er seinen Mantel mit um den Ehrwürdigen Herrn herum! Er sieht ja, daß er halb erfroren ist. Kaspar thats halb unwillig, und der Kapuziner sah unsern Siegwart dankbar an. – Wo geht denn die Reise bey den jungen Herren hin? fragte er. – Nach Ingolstadt, war die Antwort.
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