Sieben Päpste by Küng Hans
Autor:Küng, Hans [Küng, Hans]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492971416
Herausgeber: Piper
veröffentlicht: 2015-08-09T16:00:00+00:00
Karol Wojtyłas theologische Bildung
Tatsache ist: Johannes Paul II. fühlt sich durch meinen Artikel ganz persönlich angegriffen. Dies lässt ein deutscher Teilnehmer am späteren Bischofsgespräch mit dem Papst im Vatikan verlauten, während die offizielle Stellungnahme der Deutschen Bischofskonferenz später erklärt, die Disziplinarmaßnahme gegen mich habe nichts mit jenem Artikel zu tun. Eine verräterische Anmerkung, die, entspräche sie der Wahrheit, überflüssig gewesen wäre.
Freilich hatte der Papst schon auf der ersten Polenreise nach seiner Wahl auf einer Geheimkonferenz mit etwa zwei Dutzend polnischen Theologen erklärt, er betrachte den Tübinger Theologen Küng als ein Haupthindernis für seinen geplanten Restaurationskurs. Im Nachhinein denke ich: Vermutlich noch mehr als meine Beurteilung seiner Kirchenführung hat Karol Wojtyła die Infragestellung seiner theologischen Fachkompetenz getroffen. Doch gerade solche Infragestellung war nicht zu vermeiden bei einem Papst, der sich bereits durch seinen autoritären Kurs und strenge Disziplinarmaßnahmen gegen Theologen wie den renommierten französischen Moraltheologen Jacques Pohier und andere von seinem toleranteren Vorgänger unterscheidet.
Deshalb in meiner Zwischenbilanz die gezielt kritische Frage: »Ist es nicht über den Kreis der Fachleute hinaus deutlich, dass dieser Papst aus Polen – wie seine bisherigen theologischen Veröffentlichungen und überaus zahlreichen offiziellen Äußerungen zeigen – über die neueren Entwicklungen in der Theologie (kritische Exegese und Dogmengeschichte, neuere Entwicklungen der Moraltheologie in Nordamerika oder der Befreiungstheologie in Lateinamerika, von protestantischer Theologie ganz zu schweigen) kaum genügend unterrichtet ist?« Gewiss, auch Papst Johannes XXIII. Roncalli hatte seine theologischen Grenzen; aber er war sich ihrer bewusst und war einem lehramtlichen Eingreifen gegen Theologen, wie in der Antimodernisten-Hetze gegen seinen Studienfreund Ernesto Buonaiuti, zutiefst abgeneigt. Johannes Paul II. Wojtyła aber kennt seine Grenzen nicht und nimmt wieder die inquisitorische Politik Pius’ XII. Pacelli auf, dessen theologische Bildung ebenfalls äußerst schmal war. Doch Papst Wojtyła wollte wohl seine Grenzen gar nicht überwinden. Er habe kein einziges Buch von Hans Küng gelesen, meinte auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung mit mir ein persönlicher polnischer Freund Wojtyłas im Schweizer Fernsehen zur Entschuldigung des Papstes.
Nicht bewusst ist mir freilich, dass ich mit meiner kritischen Nachfrage nach Wojtyłas theologischen Grenzen in eine Wunde seiner Biografie gestoßen habe, über die er – anders als Joseph Ratzinger über »das Drama« seiner Habilitation – nie spricht. Vielmehr versteht er, der sich als junger Mann nicht der Theologie, sondern der professionellen Schauspielerei, verbunden mit Schriftstellerei, widmete, trefflich zu verschleiern, dass er zum Teil kriegsbedingt nur eine Schmalspurtheologie studiert hat. Nach Studien von Philosophie und Polnischer Literatur an der Jagiellonen-Universität von Krakau tritt er 1942 ins geheime Priesterseminar der Erzdiözese Krakau ein, wo er 1946 die Priesterweihe empfängt. Anschließend sollte er in Rom ein Doktorat in Theologie anstreben. An der päpstlichen Universität Gregoriana, Roms erster Adresse, wird er aber wegen mangelnder theologischer Voraussetzungen als Doktorand abgelehnt, sodass er an die zweitrangige Dominikaner-Universität Angelicum, ein Bollwerk traditionalistischer Neuscholastik, gehen muss. Dort hört er vor allem die Vorlesungen des führenden Dogmatikers Réginald Garrigou-Lagrange. Sie bestehen in nichts als Auslegungen der Summa theologiae des Thomas von Aquin. Mein Schweizer Studienfreund Josef Fischer und ich, als neugierige Gelegenheitshörer im roten Talar, hatten davon bereits nach zwei Stunden genug.
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