Sie by King Stephen

Sie by King Stephen

Autor:King, Stephen [King, Stephen]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi/Thriller
ISBN: 9783453435834
Herausgeber: Heyne Taschenbuch
veröffentlicht: 2011-01-31T23:00:00+00:00


14

Paul erinnerte sich an ein Essay von Edmund Wilson, wo Wilson in seinem typisch widerwilligen Wilson-Stil gesagt hatte, dass Wordsworths Kriterium für das Verfassen guter Poesie - heftige Gefühle, an die man sich in einer Zeit der Ruhe erinnerte - auch für den größten Teil der dramatischen Literatur gelten konnte. Wahrscheinlich stimmte das. Paul hatte Schriftsteller kennengelernt, denen es unmöglich war, nach so einer Winzigkeit wie einem ehelichen Zwist zu schreiben, und er selbst konnte normalerweise nicht schreiben, wenn er aufgewühlt war. Aber es gab Zeiten, da trat eine Art umgekehrter Effekt in Kraft - dann machte er sich an die Arbeit, um dem zu entfliehen, was ihn belastete, und nicht nur, weil die Arbeit eben getan werden musste. Normalerweise geschah das bei Anlässen, wenn er den Grund der Belastung nicht selbst beseitigen konnte.

Dies war eine solche Gelegenheit. Als sie um elf Uhr an diesem Morgen immer noch nicht aufgetaucht war, um ihn in seinen Rollstuhl zu setzen, beschloss er, es selbst in die Hand zu nehmen. Er wusste, dass er die Schreibmaschine nicht vom Kaminsims holen konnte, aber er konnte per Hand schreiben. Er war sich sicher, er würde sich in den Rollstuhl ziehen können, wusste auch, dass es wahrscheinlich schlecht war, Annie wissen zu lassen, dass er es konnte, aber er brauchte diesen anderen Schuss, verdammt, und er konnte nicht schreiben, wenn er hier im Bett lag.

Er arbeitete sich bis zur Bettkante vor, vergewisserte sich, dass die Bremse des Rollstuhls angezogen war, dann umklammerte er die Armlehnen und zog sich langsam hinüber. Seine Beine eines nach dem anderen auf die Beinstützen zu ziehen war der Teil, der als einziger schmerzte. Er rollte zum Fenster hinüber und griff nach seinem Manuskript.

Der Schlüssel wurde im Schloss gedreht. Annie sah ihn an, ihre Augen brannten schwarze Löcher in ihr Gesicht. Ihre rechte Wange war geschwollen, es sah aus, als würde sie am nächsten Morgen ein höllisches Veilchen haben. Um den Mund und auf dem Kinn klebte irgendeine rote Substanz. Zuerst glaubte Paul, es wäre frisches Blut aus der aufgerissenen Lippe, aber dann sah er die Samenkörner darin. Es war Himbeermarmelade oder Himbeerfüllung, kein Blut. Sie blickte ihn an. Paul blickte zurück. Eine Zeit lang sagte keiner etwas. Draußen prasselten die ersten Regentropfen gegen die Scheibe.

»Wenn Sie es ganz allein in den Stuhl schaffen, Paul«, sagte sie nach einer Weile, »dann können Sie auch Ihre beschissenen N selbst nachtragen.«

Danach schloss sie die Tür und versperrte sie wieder. Paul sah sie noch lange an, als gäbe es etwas zu sehen. Er war zu bestürzt, um etwas anderes zu tun.



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